Antonio Vivaldi ist vor allem als Komponist der Vier Jahreszeiten bekannt, aber er war viel mehr als das. Er war ein produktiver Komponist, der etwa 500 Solokonzerte schrieb. („Vivaldi hat nicht 500 Konzerte geschrieben. Er hat dasselbe Konzert 500 Mal geschrieben”, war der bissige Spruch, der gewöhnlich Igor Strawinsky zugeschrieben wird.) Seine Konzerte wurden für eine Vielzahl von Instrumenten und Instrumentenkombinationen geschrieben, viele davon für die Mädchen des Ospedale della Pietà, eines Waisenhauses in Venedig, das gleichzeitig ein Kloster und eine Musikschule war und in dem Vivaldi als Komponist und Geigenlehrer tätig war. Sein roter Haarschopf, den er von seinem Vater geerbt hatte, führte zu seinem Spitznamen „Il Prete Rosso” – der rote Priester.
Vivaldi war auch ein produktiver Opernkomponist, er schrieb etwa doppelt so viele Opern wie Händel, doch viele davon sind verschollen oder werden nicht mehr aufgeführt. Eine szenische Aufführung einer Vivaldi-Oper gilt nach wie vor als Rarität, aber die Zahl der verfügbaren Aufnahmen ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen und hat unsere Ohren für großartige Musik geöffnet. Wenn man einige Chorwerke hinzufügt, entdeckt man einen Komponisten mit einer unendlichen Vielfalt, die weit über den engen Rahmen der Vier Jahreszeiten hinausgeht – obwohl wir unsere Vivaldi-Reise fast zwangsläufig dort beginnen.
1Die vier Jahreszeiten
Die als Die vier Jahreszeiten bekannten Violinkonzerte sind Teil einer Sammlung von 12 Werken, die unter dem Titel Il cimento dell'armonia e dell'inventione (Das Wagnis von Harmonie und Erfindung) veröffentlicht wurden. Es gibt einen Grund, warum diese Musik so beliebt ist und von so vielen Geigern gespielt wird: Vivaldi malt seine Szenen lebhaft aus, um Vogelgezwitscher, Gewitter, eine galoppierende Jagd, das Ausrutschen auf dem Eis darzustellen. Es ist eine Partitur, die vor Leben strotzt und – in einer großartigen Aufführung – ihre Allgegenwärtigkeit als Fahrstuhl- und Telefonwarteschleifenmusik fast vergessen lässt.
2Violinkonzert e-Moll, RV273
Viele von Vivaldis Konzerten sind allein aufgrund ihres Spitznamens berühmt, aber auch die anderen sollten nicht vernachlässigt werden. Von seinen rund 90 Violinkonzerten ist das späte Konzert in e-Moll, RV273 (RV steht für Ryom-Verzeichnis, das von Peter Ryom geschaffene standardisierte Katalogsystem), eines der bedeutendsten. Es beginnt in einer düsteren Stimmung, die an den dichten Nebel erinnert, der Venedig in den Wintermonaten umhüllt.
3Fagottkonzert d-Moll, RV481
Unglaublich: Vivaldi komponierte 39 Konzerte für Fagott! Im Gegensatz zu seiner späteren Rolle als Clown des Orchesters, nimmt Vivaldi das Instrument völlig ernst. In diesem Konzert gibt es Dramatik und Aggressivität in den äußeren Sätzen, während das zentrale Larghetto ein trauriges Lamento ist.
4Lautenkonzert D-Dur, RV93
Von Vivaldi ist nur ein einziges Konzert für Laute solo überliefert, aber es ist ein echter Leckerbissen, der zudem auch noch sehr bekannt ist, da er oft von Gitarristen kopiert wurde. Es beginnt mit spritziger Energie – vor allem in dieser mitreißenden Aufführung mit Il Giardino Armonico und Luca Pianca – aber das nachdenkliche Largo ist voller zarter Schönheit.
5Orlando furioso
Orlando furioso ist eine der Opern von Vivaldi, die in den letzten Jahren mehrfach aufgeführt wurde. In einer aus Händel-Opern bekannten Handlung geht es um die kühnen Taten des Ritters Orlando und die Machenschaften der Zauberin Alcina. Die klare Arie „Sol da te, mio dolce amore” von Ruggiero ist von großer Schönheit, mit einem blumigen Flötensolo.
6Farnace
Der besiegte König Farnace, der hofft, nicht in die Hände des Feindes zu fallen, befiehlt seiner Frau Tamiri, erst ihren Sohn und dann sich selbst zu töten. In der Arie „Gelido in ogni vena” spürt er, dass sein Blut wie Eis durch seine Adern fließt, während er den Tod seines Sohnes in Betracht zieht (Spoiler-Alarm: Tamiri lässt ihn am Leben!). In dieser kühlen Arie setzt Vivaldi eine frostige Begleitung ein, die Sie vielleicht wiedererkennen...
7Flötenkonzert g-Moll, RV439, „La notte”
Dies ist eines von Vivaldis ungewöhnlicheren Konzerten, komponiert in sechs Sätzen, die eine äußerst unruhige Nacht darstellen, einschließlich eines zweiten Satzes mit dem Titel Phantoms. Verstecken Sie sich während des gruseligen vierten Satzes unter der Bettdecke!
8Violinkonzert Es-Dur, RV253, „La tempesta di mare”
Dies ist ein weiteres der bildhaften Konzerte aus Il cimento dell'armonia e dell'inventione und beschreibt einen heftigen Sturm auf dem Meer. Es wird hier von Patricia Kopatchinskaja und Il Giardino Armonico mit einigen sehr unauthentischen, aber lebendigen zusätzlichen Elementen mitreißend aufgeführt.
9Gloria D-Dur, RV589
Vivaldi komponierte während seines Aufenthalts in der Pietà mindestens zwei Glorias, von denen das D-Dur das bekannteste ist. Hier wird es so aufgeführt, wie es zu Vivaldis Zeiten üblich gewesen wäre, nämlich von einem reinen Frauenorchester und -chor, die hinter Paravents auf den Balkonen der Kirche postiert waren, um die Gemeinde nicht zu stören.
10Stabat Mater f-Moll, RV621
Ein weiteres geistliches Werk Vivaldis ist das Stabat Mater, ein frühes Werk, das von der Santa Maria della Pace in Brescia in Auftrag gegeben wurde, um während der Feierlichkeiten der Karwoche aufgeführt zu werden. Der Text ist eine Meditation über das Leiden der Jungfrau Maria bei der Kreuzigung ihres Sohnes.
Ins Deutsche übertragen von Elisabeth Schwarz.