Jeder kennt es: vor allem in schwierigen Zeiten bietet die Musik Ablenkung, Trost und Ermunterung. Geht man nicht ins Konzert, die Oper oder die Messe, hört man vertraute oder neue Klänge in seinen unterschiedlichen Gemütszuständen und Bedürfnissen unterwegs zur Arbeit, in der Pause, beim Sport, beim jeweiligen tatsächlichen Anlass oder zu Hause via vielfältiger Übertragungsmöglichkeiten. Dieser Tage befinden wir uns alle in völlig neuen Situationen. Während der eine vielleicht mehr Zeit hat, mal eine ganze Oper zu genießen oder neues Repertoire zu erschließen, sucht diejenige, die der geliebten „Routine“ nicht nachkommen kann, nach „rettenden“ Angeboten. Und was macht ein Musikfreak, dem womöglich gerade genau das sprichwörtlich die Decke auf den Kopf fallen lässt? Er überlegt sich, woran er sich in – sonst nur aus Interviews bekannter Frage danach, welche Musik man mit auf eine einsame Insel nähme – verordneter Isolation nicht satt hören kann. In meinem Fall barocke Dauerbrenner, die Ihnen vielleicht ebensolche Freude und Inspiration bereiten.

Antonio Vivaldi
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1 Telemann: Don Quichotte: „Son attaque des moulins à vent”

Ohne Telemanns Humor und Esprit geht es für mich nicht. Don Quichottes „Son attaque des moulins à vent” mag einerseits etwas makaber erscheinen, andererseits noch nicht mal das Paradebeispiel für seinen unverwechselbaren Ideenreichtum sein. Doch ist dieser Ouvertürensuiten-Satz ein kraftvoller Aufheller, Mutmacher und Energiespeiser, den ich seit der Kindheit nicht missen möchte.

2 Bach: Wachet! Betet! Betet! Wachet!

Schon abgedroschen erscheint die Erkenntnis, dass Bach in jeder Lebenslage hilft. Ein eindringliches Zeichen formuliert der rüttelnd anfassende Eingangschor der Kantate Wachet! Betet! Betet! Wachet!, der Tanz und Ernst so kunstvoll kombiniert, dass es einem schön unheimlich, nein unheimlich schön in den Bann des Lebens und Bachs Genie zieht.

3 Vivaldi: Concerto, RV 157

Auch bei Vivaldis Concerto, RV 157 stelle ich auf Dauerschleife. Neben melodischer Eingängigkeit, Spritzigkeit und aufwühlendem Charakter, der unterhält, ist es seine Tonart, die tiefempfundene Funken in der Seele zum Leuchten bringt.

4 Händel: Dixit dominus

Die Psalmvertonung Dixit dominus begleitet mich ebenfalls seit der Kindheit. Bei Händel fragt man sich natürlich gleichsam, welches Werk man herausgreifen sollte für eine nur beschränkte Liste. Dieses Stück verbindet alles: Konzert, Kirchenmusik, Operndrama. Drei in einem oder meine Händelianische Dreifaltigkeit der Barockmusik.

5 Rameau: Les Indes Galantes: „Tendre amour”

Rameaus Musik ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Besonders delikat, herzergreifend und träumerisch präsentiert sie sich im zärtlich-galanten Quatuor „Tendre amour“ aus seiner Opéra-ballet Les Indes Galantes. Lass' es zu!

6 Zelenka: Missa votiva

Zelenka galt einigen als etwas bizarr oder – anders gesagt – bekloppt. Ein „Gloria“ auf ihn sangen aber u.a. Telemann und Bach. Kein Wunder, dass er deshalb erst recht auf meiner Playlist auftauchen muss. Chromatische, harmonische Wendungen, abrupte Endungen, anspringende Attacken, Synkopenvorliebe und ein sprühender Duktus: all das findet sich exemplarisch in seiner Missa votiva.

7 Schütz: Saul, Saul, was verfolgst Du mich?

Dass Schütz' Musik manchmal immer noch unter dem Radar fliegt, ist ungerecht. Ist sie zu protestantisch? Auf besonders schmuckvolle, kräftige und theatralische Weise entkräftet das Deutsche Konzert Saul, Saul, was verfolgst Du mich? aus den Symphoniae sacrae dieses Vorurteil. Und als Meister des Favorit-Chors gehört er auf eine Favoriten-Liste.

8 Monteverdi: Marienvesper

Emotionen, Text, Musik, Pracht, Kraft und Intimität. Alles verbinde ich vor Bach in seiner Universalität mit Monteverdi. Ohne dies und ihn ist vieles nicht so denkbar. Seine Sammlung der Marienvesper bietet auch das ganze A und O, nicht nur irreführend für den Abend, wie dieser Weckruf verdeutlicht.

9 Telemann: Doppelkonzert für Block- und Traversflöte

Allein schon wegen Telemanns Stilvielfalt kann einem nicht so schnell langweilig werden. Für charakteristische Merkwürdigkeiten und Überraschungen liefert sein Doppelkonzert für Block- und Traversflöte faszinierendes Anschauungsmaterial. Die hanakisch-polnische Schlusssatz-Gaudi strotz vor Energie und verleitet zu mancher Übersprungshandlung, für die man sich auf einer einsamen Insel ja nicht schämen muss.

10 Vivaldi: Juditha triumphans: Armatae face et anguibus”

Die Arie „Armatae face et anguibus” aus Vivaldis operalem Oratorium Juditha triumphans sprüht eben nicht nur vor der wilden Raserei, sondern insgesamt vor dem, was im Wort der Epoche steckt: BaROCK. Ohne Pauken und Trompeten heizen Stimme, Streicher und Basso Continuo so ein, dass man sich gar nicht entziehen, immer wieder hinzuhören.