Selbst Komponisten brauchen manchmal Urlaub, ein paar Wochen abseits des Klaviers und dem Gezanke mit Verlegern. Reisen dienen oft zur Inspiration und viele Komponisten sprühten nach ihren Aufenthalten in sonnigeren Gefilden vor Ideen, vielleicht weil sie eine Melodie notierten, die sie gehört hatten oder aufgrund des Klangs eines bestimmten Instruments. Hier ist eine Auswahl an musikalischen Ansichtskarten, die einige exotische (und manchmal nicht ganz so exotische!) Urlaubsziele feiert.

Postkarte aus Nefta

 

1 Chabrier: España

Es ist ironisch, dass die meisten „spanischen” Hits der klassischen Musik von französischen Komponisten geschrieben wurden! Von Bizets Carmen bis Ravels Boléro verehren die Franzosen ihre musikalischen Ausflüge in die Pyrenäen. 1882 reiste Emmanuel Chabrier fünf Monate durch Spanien und seine Studie der Tanzrhythmen sind in seiner Orchesterrhapsodie España eindeutig erkennbar, die voll von mediterranem Sonnenschein und joie de vivre ist. Pizzicato-Streicher imitieren die Gitarre bevor eine Reihe an pikanten Tänzen die iberische Halbinsel heraufbeschwört.

 

2 Glinka: Jota aragonesa

Nach der ganz und gar nicht begeisterten Aufnahme seiner Oper Ruslan und Ljudmila, begab sich Michail Glinka auf eine ausgedehnte Reise nach Frankreich und Spanien. Er kam im Sommer 1845 in Valladolid an, wo er feststellte, dass „Spanier ehrenhaft, direkt in ihrer Sprache, ungekünstelt, und nicht voller Zeremoniell wie die Franzosen” sind. Er traf einen einheimischen Händler und Gitarristen, Felix Castilla, der ihm eine traditionelle Melodie, den Jota Aragonesa, vorspielte, die er als Basis für sein Caprice brillant über das Thema der Jota aragonesa verwendete. Nach einer ernsten Einleitung findet der Jota Aragonesa seinen Weg hinein, rasch unterstützt von schwindelerregenden Kastagnetten.

 

3 Tschaikowsky: Capriccio italien

Tschaikowsky liebte Italien. Er entwarf Pique Dame während eines Aufenthaltes in Florenz – ein Besuch, der auch sein Sextett Souvenir de Florence inspirierte. Aber es war eine frühere Reise nach Rom, im Jahr 1880, die zu seinem Capriccio italien führte. Als er in der Ewigen Stadt war, hörte Tschaikowsky in den Straßen Volksmusik und beobachtete das Faschingstreiben, das zu dieser feierlichen Fantasie führte.

 

4 Mendelssohn Bartholdy: Schottische Symphonie

Es war eine Wanderung durch Schottland, die Felix Mendelssohn Bartholdy 1829 dazu inspirierte, seine Dritte Symphonie mit dem Untertitel „Schottische” zu komponieren. Der dämmrige Beginn reflektiert seinen Besuch der Holyrood Chapel des Holyrood Palace in Edinburgh, aber der heitere zweite Satz bezieht sich eher auf heimische – möglicherweise Dudelsack- – Themen. Überraschend, angesichts der Tatsache, dass sich Mendelssohn Bartholdy darüber beschwerte, dass schottische Volksmusik bei ihm „Zahnschmerzen” verursacht.

 

5 Elgar: From the Bavarian Highlands

Edward und seine Frau, Alice, genossen im Herbst 1894 einen Urlaub in Bayern – vor allem in der Gegend rund um Garmisch. From the Bavarian Highlands war ursprünglich ein Zyklus aus Liedern für Chor und Orchester, aber drei waren nur für Orchester arrangiert, so auch der Tanz, der die Atmosphäre des Gasthauses Am Sonnenbichl hervorruft, mit reichlichem Biertrinken im Hintergrund.

 

6 Saint-Saëns: Klavierkonzert Nr. 5 „Ägyptisches Konzert”

Saint-Saëns komponierte den Großteil seines Fünften Klavierkonzerts während einer seiner regelmäßigen Winterreisen nach Luxor. Den ägyptischen Einfluss kann man in dem verführerischen G-Dur-Teil des mittleren Satzes hören, mit quakenden Fröschen, zirpenden Grillen und sinnträchtigen nubischen Melodien, die der Komponist von Fischern am Nil hörte, während er auf einem Dahabieh den Fluss hinabfuhr.

 

7 Ibert: Escales (Tunis–Nefta)

Jacques Iberts Escales ist ein Trio von musikalischen Ansichtskarten, vermutlich seine Reisen während seiner Zeit in der Marine verfolgend. Der zweite Satz bringt uns von Tunis nach Nefta, col legno-Streicher klopfen einen hypnotisierenden Rhythmus, in den sich eine schlangenbeschwörende Oboe mit chromatischen Linien einflechtet.

 

8 Holst: Beni mora

Wenn er nicht gerade einen Wanderurlaub durch die Englische Countryside mit seinem Kumpel Ralph Vaughan Williams genoss, gefiel es Gustav Holst, weiter zu verreisen. 1908 verbrachte er einen Urlaub in Algerien, der zur Komposition seiner orientalischen Suite, Beni mora, führte. Das Finale, „In den Straßen der Ouled Naïls”, eröffnet mit einem bescheidenen achttönigen Thema, das er auf einer Flöte gespielt gehört hatte, das danach 163 Mal(!) wiederholt wird, während sich andere Tanzrhythmen hineindrängen und überlappen.

 

9 Gershwin: Cuban Overture

Ein Urlaub in Havanna („zwei ausgelassene Wochen… ohne Schlaf”) führten zu George Gershwins Cuban Overture. Ursprünglich Rumba betitelt, erfreut sie sich an kubanischen Rhythmen und Percussion (Maracas, Bongos, Klangstäbe und ein Guiro) und huldigt dem Échale Salsita des einheimischen Bandleaders Ignacio Piñeiro.

 

10 Milhaud: Le Bœuf sur le toit

Darius Milhaud war während des Ersten Weltkrieges in Brasilien, wo er als Sekretär des Poeten Paul Claudel diente, der französischer Botschafter war. Milhauds ansteckendes Le Bœuf sur le toit (Der Ochse auf dem Dach) ist nach einem beliebten brasilianischen Lied benannt und der Komponist hoffte, dass es einen Film Charlie Chaplins begleiten könnte. Es ist eine wilde Angelegenheit, voller beliebter Melodien, Maxixe (ein brasilianischer Tango), Samba und sogar einem portugiesischen Fado, zusammengeflickt mit einem fröhlichen Rondothema.

 

Schönen Urlaub!

 

Ins Deutsche übertragen von Elisabeth Schwarz