„Con onor muore...“ Mit diesen (beinahe) letzten Worten von Cio-Cio-San beginnt Puccinis Madama Butterfly an der Greek National Opera. Regisseur Hugo de Ana nimmt damit gleich am Anfang optisch effektvoll das tragische Ende vorweg, indem er die Titelheldin weiß gekleidet vor schwarzem Hintergrund auftreten lässt. Die am 10. und 16. Oktober aufgezeichnete Produktion scheint schon von vornherein mit dem Hintergedanken einer möglichen Übertragung konzipiert worden zu sein, denn sie funktioniert als Stream ausgesprochen gut und besticht mit starken Bildern.

Ermonela Jaho (Cio-Cio-San)
© Valeria Isaeva

Das Einheitsbühnenbild ist dabei schlicht gehalten: ein Steg, drei verschieden große Holzkuben, einige Requisiten und im Hintergrund eine Videowall, die für die optischen Effekte sorgt. Hin und wieder schrammt die Inszenierung allerdings knapp an der Lächerlichkeit vorbei, etwa wenn raschelnde Papierstreifen als Blumen bzw. Garten herhalten müssen oder Onkel Bonzo an einen überzeichneten Disney-Bösewicht erinnert. Packend ist jedoch vor allem die kitschbefreite Personenführung, die die Brutalität der Geschichte in den Vordergrund stellt. Der Amerikaner Pinkerton ist hier kein eleganter Marine-Leutnant mehr, sondern ein an der fremden Kultur völlig uninteressierter Tourist im Hawaii-Hemd, der das All-Inclusive-Paket gebucht hat – junge Braut und gekünstelte Japanoiserie inbegriffen. Den angebotenen Sake schüttet er demonstrativ weg, um sich Whiskey einzugießen und Cio-Cio-San möchte er vor allem ins Bett bekommen. Während sie noch von den leuchtenden Sternen singt, packt er vorsichtshalber schon mal das Bondage-Seil aus; die Braut soll vor der Vergewaltigung in der Hochzeitsnacht schließlich nicht davonflattern können. Drei Jahre später klammert sich Cio-Cio-San trotzdem immer noch verzweifelt an den amerikanischen Traum, den sie in Form eines Reisepasses und einer selbstgenähten USA-Flagge zur Schau stellt. Die traditionelle japanische Kleidung hat sie abgelegt, in Jeans und T-Shirt wartet sie auf Pinkertons Rückkehr, der sie schließlich zwar nicht sehen will, sich aber mit Geld ein reines Gewissen erkaufen möchte.

Chrysanthi Spitadi (Suzuki) und Ermonela Jaho (Cio-Cio-San)
© Valeria Isaeva

Vor einem blutroten Mond auf schwarzem Hintergrund haucht Cio-Cio-San schließlich ihr Leben aus, die starke Wirkung dieses Schlussbildes ergibt sich einerseits durch die Ästhetik der Inszenierung und andererseits durch Ermonela Jahos Fähigkeit, unvergleichliche Bühnentode zu sterben. Bevor sie im Todeskampf zu einem letzten Flügelschlag ansetzt, kommt man den ganzen Abend über in den Genuss einer exzellenten Interpretation der Rolle. Stimme und Darstellung sind dabei stets untrennbar verbunden. So erklingt beispielsweise die schüchterne Braut des ersten Akts zart, lieblich und träumerisch und als schließlich klar wird, dass Pinkerton nicht mehr zurückkehren wird, verschwinden nicht nur die warmen Farben aus der Stimme, sondern Jahos ganze Körpersprache drückt pure Verzweiflung aus. Ihr Sopran ist für diese Rolle ohnehin ideal, denn sie schwebt elfenhaft durch lyrische Piani, bietet dramatische Attacke ohne scharf zu werden und vermittelt so viele Emotionen, dass man gar nicht anders kann, als mit Madama Butterfly gemeinsam zu leiden.

Gianluca Terranova (Pinkerton) und Ermonela Jaho (Cio-Cio-San)
© Valeria Isaeva

Mit dem hohen Niveau von Ermonela Jaho konnten die übrigen Sänger und auch das Orchester an diesem Abend leider nicht mithalten. Gianluca Terranova verfügt zwar über eine beeindruckende Höhe und schmettert seinen Part mit viel Kraft, aber eine nuancierte Gestaltung ist seine Sache nicht. Stimmlich und darstellerisch ist sein B. F. Pinkerton ein Elefant im Porzellanladen; schauspielerisch überzeugte diese Interpretation völlig, gesanglich hätte ich mir etwas mehr Eleganz gewünscht. In der Rolle des amerikanischen Konsuls Sharpless klang Dionysius Sourbis‘ Bariton häufig rau. Weder die Besonnenheit noch das für Cio-Cio-San empfundene Mitleid fanden ihren Weg in die vokale Gestaltung, denn die Klangfarben blieben drei Akte lang einheitlich matt. Positiv fiel der dunkel und ebenmäßig timbrierte Mezzo von Chrysanthi Spitadi als Suzuki auf, der sich mit Jahos Sopran vor allem im Blumenduett schön verband. Die übrigen Rollen waren solide bis rollendeckend besetzt, blieben aber letztlich blass. Das Orchester unter der Leitung von Lukas Karytinos war ebenso unauffällig und lieferte zwar eine saubere, aber nicht besonders inspirierte Vorstellung ab. In der durch Social Distancing bedingten reduzierten Orchesterfassung von Ettore Panizza fehlt es Puccinis Werk außerdem schlichtweg an dramatischem Aplomb; das Intermezzo kommt beispielsweise überhaupt nicht in Fahrt, der Klang kann nie so recht aufwallen und die Emotionen köcheln nur auf kleiner Flamme.

Ermonela Jaho (Cio-Cio-San)
© Valeria Isaeva

Der Griechischen Nationaloper ist definitiv ein Coup damit gelungen, ausgerechnet im für die Kultur so schwierigen Corona-Jahr eine der weltweit besten Interpretinnen der Cio-Cio-San zu engagieren. Ein etwas konstanteres Qualitätsniveau rund um Superstar Ermonela Jaho hätte der Vorstellung aber ganz gut getan.


Die Vorstellung wurde vom Livestream der Greek National Opera rezensiert.

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