Hans von Manen hat in seinem Leben mehr als 125 Choreografien entworfen. Aus Anlass seines 90. Geburtstags gibt es in den Niederlanden ihm zu Ehren gerade ein Festival mit einer Auswahl seiner einflussreichen Werke. Auch die Junior Company des Nationalen Balletts hat für ihre nationale Tournee eines seiner Stücke in ihr Programm aufgenommen. Van Manens In the Future ist zwar schon 1986 entstanden, hat aber auch fast 40 Jahre später noch immer nichts von seiner modernen Vitalität eingebüßt.
Der Abend begann für Interessierte mit einer öffentlichen Ballettstunde. Im Saal saßen im Theatersaal eine Stunde vor Beginn der Vorstellung viele ballettbegeisterte Kinder mit ihren Eltern. Die Tänzer der Junior Company stehen in der Mitte der Bühne an einem Barren und beginnen unter der Leitung einer Ballettmeisterin mit ihren rhythmischen Streck- und Reckübungen. Schon jetzt fallen einige Tänzer durch die Eleganz und Expressivität ihrer Bewegungen auf. Und ganz richtig: Mila Nicolussi Caviglia und Luca Abdel-Nour werden fast in allen fünf modernen Balletten eine herausragende Rolle spielen.
In Bloom, einer Choreographie von Milena Sidorova tanzt Abdel-Nour zusammen mit Isaac Mueller und Koyo Yamamoto schwerelos swingend auf die Musik von Bobby McFerrin. Das erste Stück des „Shooting Stars” betitelten Abends hat das Aufblühen der individuellen Charaktere auf der Schwelle von Jugendlichkeit zum Erwachsenenalter zum Thema und ist diesen Tänzern damit auf den Leib geschnitten. Die drei jungen Männern durchmessen die Bühne des kleinen Theaters in der altehrwürdigen Rembrandtstadt Leiden mit raumgreifenden Sprüngen und versprühen dabei so viel Lebensfreude, dass man sich beinah danach zurücksehnt, noch einmal so jung und talentvoll zu sein. Die jugendlichen Tänzer*innen haben nicht nur eine phänomenale Tanztechnik, sondern darüber hinaus auch ein sehr überzeugendes Ausdrucksvermögen. Die Zeit fliegt und mit ihr wachsen die Emotionen hin zu einem Tagtraum, in dem das Publikum verzückt und atemlos die elegante Beweglichkeit der Tänzer in sich aufnimmt.
Auch die folgenden Stücke (Pas de deux) von Peter Leung, If only I knew the right way von Zoë Gretchen und The sublimeness of Nobody von Marta Reig Torres sind extra für diese Tournee geschrieben und erst vor wenigen Wochen uraufgeführt worden. Vor allem Reig Torres' reptilienartige Kopfbewegungen, unglaublich mühelos und ausdrucksstark von Abdel-Nour ausgeführt, bleiben im Gedächtnis hängen.
Nach der Pause gibt es zum ersten Mal an diesem Abend auch ein Bühnenbild und farbige Kostüme (Keso Dekker). Obwohl sie maßgeschneidert zu Van Manens Choreographie passen, sind sie erst nachträglich dazu entstanden. Die fünf Paare in ihren vorn grün und hinten knallrot gefärbten Bodysuits wirbeln in ständig virtuos wechselnden geometrischen Figurenkaskaden über die Bühne. Auch hier entsteht wie zu Beginn des Abends ein Momentum von Staunen und Entrückung ob all der zur Schau gestellten kreativen Urgewalten. Die Musik von David Byrne unterstreicht mit ihrem 40 Jahre alten Text die Modernität von Van Manens Werk. Wie konnte er damals ahnen, dass die von ihm gewählte Musik und die Zukunftsbeschreibungen in ihrem Text uns heute so realitätsnah treffen würden?