Die Elfte Symphonie von Dmitri Schostakowitsch ist mit rund einer Stunde Spieldauer kein Leichtgewicht, und inhaltlich schon gar nicht, ist sie doch Teil des sogenannten „Revolutionstriptychons” des Komponisten aus Nr. 11, 12 und 13, und beschäftigt sie sich doch mit der blutigen Niederschlagung des Petersburger Blutsonntags durch Zar Nikolaus II.. Diesem Werk am Konzertabend in der Elbphilharmonie Robert Schumanns Klavierkonzert a-Moll, Op.54, das ursprünglich nur als einsätzige Fantasie geplant war, gegenüberzustellen, war von den Beteiligten eine sehr passende Idee.

Víkingur Ólafsson und Semyon Bychkov mit der Tschechischen Philharmonie
© Petr Kadlec

Die Tschechische Philharmonie begleitete unter Semyon Bychkov den bekannten Klaviervirtuosen Víkingur Ólafsson im ersten Teil des Abends, und die Musiker*innen verlegten sich dabei zunächst ganz auf die Unterstützung des Pianisten aus dem Hintergrund. Ólafsson startete langsam und bedächtig, holte das Publikum erstmal in die Konzentration auf die Musik und gestaltete mit auffallend weichen Anschlägen die schnellen Läufe am Anfang als blockartige Einheiten, so als würde er Bausteine zusammensetzen. Bychkov blieb am Pult währenddessen subtil und forderte vom Orchester vor allem gestalterische Feinheiten. Dadurch bekam Ólafsson Raum, im Verlauf des Kopfsatzes immer launiger zu agieren und den sehr romantischen Charakter dieses Werkes anschaulich herauszuarbeiten. Bis hin zur Kadenz, die der Pianist energisch und mit aufstampfenden Füßen ausführte, bevor der Dirigent das Orchester in der Coda interessant und mit Gestaltungsfreude durch den seltsamen Rhythmus im 2/4-Takt führte.

Víkingur Ólafsson
© Petr Kadlec

Im zweiten Satz bemühte sich Ólafsson, auch in die pianistisch nicht ganz so spannenden Passagen viel Gefühl zu legen, und diesen Teil des Konzertes damit auch zu einem Erlebnis für das Publikum zu machen. Diese weiter bestehende Spannung zahlte sich im dritten und letzten Satz wieder aus, als der Pianist die fröhlichen Melodien fein artikuliert von der Klaviatur aufsteigen ließ. In den vielen schnell aufeinanderfolgenden pianistischen Anforderungen dieses Satzes bewies er spielerische Bandbreite und große Spielfreude, und einmal mehr schaffte es Ólafsson an diesem Abend, seinen freundlichen Habitus in Musik umzusetzen.

Semyon Bychkov
© Petr Kadlec

Nach der Pause ging Semyon Bychkov mit der Tschechischen Philharmonie in die Revolutionswirren Russlands von 1905 und präsentierte Schostakowitschs Elfte zunächst mit langem Spannungsaufbau in der kalten Nachtstimmung, wobei die Streicher dabei mit langsamen Strichen unermüdlich die bedrückende Atmosphäre erzeugten. Die Entwicklung hin zum Konflikt wurde in der Folge von fest und massiv agierenden Bläsern und Schlagwerk getragen, während Celli und Bratschen weiterhin dunkeltönig die Bedrohlichkeit der Situation betonten. Den thematischen Höhepunkt der Revolutionsniederschlagung im zweiten Satz schlugen Becken und Timpani förmlich in den Saal, während der Dirigent das Orchester angespannt durch die Darstellung des emotionalen Chaos trieb. Bychkov war jetzt mitten im Werk, hatte seine Arme überall, und forderte alle Instrumentengruppen. Emsig arbeitete er sich zusammen mit den Musiker*innen hin zur immer heller wirkenden Darstellung der Hoffnung auf Veränderung, wobei die Streicher weite Meldebögen zogen und die Bläser kraftvolle Abschläge setzten. Über die unablässig synchron Spannung erzeugenden Flöten und Streicher kamen dann alle zu einem kraftvollen Finale, und das Publikum sprang von den Sitzen.

Semyon Bychkov hatte mit seinem Orchester eine lange, bewegende Geschichte mitreißend erzählt und beschloss so einen runden Konzertabend.

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