Es bedarf eigentlich keiner einleitenden Worte mehr, um anlässlich eines Mendelssohn-Schumann-Programms im Konzert auf die freundschaftliche Verquickung der beiden Komponisten hinzuweisen und deren freilich ganz unterschiedlich nicht immer ernst genommenes Wirken: des einen Früh-, des anderen Symphonieschaffen. Und beinahe genauso wenig muss sich nach dem Mendelssohn- und im letzten Jahr folgerichtig begonnenen Schumann-Zyklus des London Symphony Orchestra unter Sir John Eliot Gardiner darüber verrenkt werden, was diese musikalische Verbindung aus historisch-informierter und moderner Leidenschaft nicht alles zu bedeuten hat. Es wäre zu herkömmlich für das, was man da hört. Denn fest steht: hier gibt es einen dichten, fluoreszierenden Raum für die aus zu romantisierender Vibrato-Romantik sowie eingefahrener Spiel- und Tempoweisen herausgeschälte Musik, die packt und spricht, immer wieder neu ist und beiden gerecht wird.
Zugegeben ist gerade die konkrete Paarung des nicht oft gespielten d-Moll-Konzerts für Violine, Klavier und Orchester mit der Symphonie „Die Rheinische“ unter Gardiner nicht völlig unbekannt, er ließ sie bereits 2016 mit dem Gewandhaus in Leipzig so geben. Damals wie heute hießen seine überaus geschätzten Solisten Isabelle Faust (Residenzkünstlerin der Kölner Philharmonie) und Kristian Bezuidenhout. Nun passte der Umstand, dass sich der Dirigent abermals auf angelegtem Schumannpfad befand, mit der Agenda der Solisten zusammen, um beide fehlenden Stücke auf die nächste LSO Live-CD zu pressen. Und spätestens da wird sich der Hörer fragen, warum dieses wunderbare Werk des gerade vierzehnjährigen Mendelssohns nicht noch viel viel öfter prominent aufgeführt wird. Schließlich hat es alles, was es braucht: eingängige Melodien, romantische Passagen, Drama, jugendliches Feuer, Witz und Virtuosität. Genauso wie die erfahrene Umsetzung, welche mit einer leichten, aber immer spannenden Eröffnung in einer gedämpfteren Klangfarbe begann, die sich hervorragend mit Bezuidenhouts historischem Piano arrangierte. Mit dem Eintritt Fausts und ihrem an artikulatorischer Flexibilität und Finesse überreichen Vermögen, wie ihr Spielpartner stets spritzig, straff und passioniert etwas Bewegendes zu erzählen, entwickelte sich ein unterhaltsames, verspieltes Miteinander. Konzentrierte sich das Klavier auf die theatralische Grundierung, betonte die Geige im unverwechselbar mitunter belegten, schroffen Harmonieziehen sowie bestechender (Non-)Vibrato- und Dynamik-Varianz und Springbögen den unersättlichen Spieltrieb von Komponist und Interpreten.
Dieser endete nach der Kadenz voll wahnsinniger Läufe und einer technischen Wechsel-Rasanz furios mit den harten Schlägen der Pauke, wohingegen das ansonsten mit luftigem, lieblichen Lebensatem versehene Adagio zu einem Atemstocken ob des verströmten Flairs führte. Hier war es vor allem auch an Bezuidenhout, dieses entscheidend mit hinreißenden Verzierungen zu setzen, deren Filigranität in der Balance mit dem Orchester (Streicher con sordino) und der Violine in den leisen Stufen bestens balanciert war. Dem Piano gebührte dann auch das postwendende Einfallen in das knackige Finale, ein noch größeres Aufdrehen mit aller Verdichtung des Vorherigen. Faust agierte ein weiteres Mal bewegter in ihren unterschiedlichen Phrasierungen, die nicht nur bei ihr – sei es in feinen Höhen, tänzelnder Schönheit oder fulminantem Figuren-Teamwork – das eine oder andere Lächeln über das Gesicht fahren ließen. Sie zog somit nicht nur immer innovativ alle Register und Akzente, sondern Bewunderung auf sich, ihren Partner, das abermals mit der Pauke gespitzte LSO und den Komponisten. Geht es besser?!
Schumanns „Rheinische” kennt nun wirklich jeder Kölner Philharmoniegänger, ihr Hornmotiv des letzten Satzes ist schließlich das Klingelzeichen des Hauses. Doch schon mit dem ersten Ruf der Bläser, die wie die Streicher bei Gardiner mittlerweile klassischerweise im Stehen spielten, offenbarte sich eben nichts scheinbar so romantisch Vertrautes, sondern ein von Gewohnheiten befreites, durch die Aufstellung merklich beflügeltes Leben; Bewegungen, typisch mit schäumender, schwappender Betonungs- und Akzentpassion, die ungestüm, kraftstrotzend, klargespült ohne verwaschenes Vibrato nahtlos an den getroffenen Nerv des ersten Schumanns vom letzten Jahr anknüpften. Sollten die fantastischen Hörner dem strömenden Scherzo zu noch größerer Strahlkraft in all ihrer Schärfe verhelfen, profitierte davon zudem das langsame Intermezzo des dritten Satzes, das so nie zu einer platten Angelegenheit zu werden drohte. Mit den faszinierend starken Kontrasten der zurückhaltenden Streicher und den Ausbrüchen des Blechs im zeremoniellen Choralsatz mit den mittig hinten postierten Posaunen sollte letztlich genausowenig wirkmächtig die Ehrfurcht verfehlt werden wie mit dem triumphalen, raffinierten Symphonieschluss die mit an Mendelssohn erinnernde Macht- und Lustdemonstrierung voller Wunderkraft.
Anders jedoch als in Mendelssohns und Schumanns gemeinsamer sächsischer Wirkungsstätte eröffnete die Manfred-Ouvertüre diesen dramatischen Abend, in der Gardiner und das LSO – hier nur mit zwei kleinen Wacklern bei den Bläsern – die Spur legte für die aufreibende Lesart mit im Detail sukzessive abgestuften beziehungsweise aufgeladenen Akzentuierungen und dem harmonischen Den-Finger-in-die-Wunde-legen. Ohne Stühle bei den Streichern und ob der Leistung beinahe eben auch ohne Worte.