„Fremd bin ich eingezogen“ ist ein Ausspruch, der auf den Bass Georg Zeppenfeld ganz und gar nicht zutrifft, ist er dem Züricher Publikum doch mehr als vertraut. Im Zuge seiner internationalen Karriere machte er bereits mehrfach Station im Schweizer Opernhaus am Zürichsee – sei es beispielsweise als Interpret in Verdis Requiem oder in einer seiner Paraderollen des Sarastro in der Zauberflöte.
Zeppenfeld gilt als überaus erfahrener Opernsänger, dessen Wandlungsfähigkeit und präzise Aussprache ihn besonders als Wagner-Interpreten zu großem Ansehen verhalfen. Diese Eigenschaften lassen ihn auch für den Liedgesang prädestiniert erscheinen und so wurde sein Liederabend an der Oper Zürich lang antizipiert. Die Wahl des Programms für diesen ersten Dezemberabend hätte mit Schuberts Winterreise nicht passender sein können und so wurde die Adventszeit auf ungewöhnlich melancholische, wenn auch besinnliche Weise eingeläutet.
Der für seine schlanke und abgerundete Bassstimme bekannte Sänger konnte hier das gesamte Register seiner Stimme ausloten. Seine Erfahrung mit Rollen für Baritonstimme wurde hier wieder evident, doch beeindruckte er auch mit besonders tief gestalteten Passagen, in denen er meisterhafte Gesangslinien ohne Vokalverfärbungen, stattdessen mit samtenem Legato absolvierte. Einzelne seiner tiefen Konsonanten trafen leicht akzentuiert direkt ins Mark.
Immer die absolute Kontrolle über die eigene Stimme bewahrend war seine Interpretation klassisch und souverän, mit dennoch starkem Ausdruck und subtilen dynamischen Abstufungen, die das Publikum gebannt an seinen Lippen hängen ließen. Auch kürzere, kraftvolle Forte-Ausbrüche und darauffolgende Rücknahmen der Stimme waren stets geplant und aufs Äußerste virtuos ausgeführt.
Zeppenfelds Interpretation der Winterreise hat gezeigt, dass der Liedgesang für ihn eine befreiende Wirkung aus den mitunter einengenden Schranken des Operngesangs bietet. Schuberts Musik offeriert unzählige interpretatorische Spielräume, die der Bass an diesem Abend selbstsicher genutzt hat. Ohne zu überzeichnen gestaltete er den Text von Wilhelm Müller auf packende und einnehmende Weise, zog er das Publikum in seinen Bann und machte die tragisch melancholische Erzählung des vereinsamenden Wanderers überaus nachvollziehbar. Er vermochte nicht nur den Schmerz über die unerwiderte Liebe, sondern auch die Zerrissenheit des Wanderers und seinen gar existenziellen Weltschmerz darzustellen und konnte dabei das Rätselhafte, Mystische der bruchstückhaften Szenen bewahren. In den ersten Liedern des Zyklus, beispielsweise der Wetterfahne oder dem Lindenbaum zeichnete Zeppenfeld einen ungewöhnlich kampfeslustigen und hitzigen Wanderer. Der Bass malte das Wesen seines lyrischen Ichs nur gelegentlich – etwa im Lied des Wegweisers – in seiner ganzen Melancholie aus. So war es umso unerwarteter, dass Zeppenfeld im letzten Lied, Der Leiermann, „Wunderlicher Alter, soll ich mit dir geh‘n?“ mit einen Hauch von Neugierde in der Stimme führte.
Begleitet wurde er von keinem geringeren als Gerold Huber, dessen Karriere als Pianist von den namhaftesten Interpret*innen gekennzeichnet ist. Seine Vorspiele wirkten mitunter wie ein solistischer Klavierabend, auf Augenhöhe mit Zeppenfeld und nicht immer im zurückhaltenden Stil eines Begleiters. Er trat gelegentlich zu sehr in den Vordergrund, statt eine zurückhaltendere Position einzunehmen. Dennoch war sein Spiel expressiv, mit hartem Anschlag und feinsinnigem Gespür für die besondere Dramatik der Winterreise.
Beide offerierten eine wunderbar aufeinander abgestimmte symbiotische Interpretation, die bewies, dass die Winterreise immer wieder neu gehört und neu gestaltet werden kann. Zeppenfelds und Hubers Darstellung wird mit Sicherheit bei vielen noch lang nachhallen und in Erinnerung bleiben.