Als langjähriges Ensemblemitglied der Oper Frankfurt und als international gefragter Sänger kann Andreas Bauer Kanabas auf eine eindrucksvolle Karriere als Basssänger zurückblicken. Bereits in seiner ersten, 2021 erschienen CD-Veröffentlichung Love and Despair hat er gezeigt, wie er die Gegensätze der Gefühlsempfindungen – changierend zwischen purer Verzweiflung und höchstem Genuss – stimmlich eindrucksvoll zu interpretieren vermag.

Daniel Heide und Andreas Bauer Kanabas
© Barbara Aumüller

Die besonderen Umstände der letzten Jahre, die von vielen Künstler*innen und Sänger*innen einiges abverlangt haben, nutzte Bauer Kanabas zur Selbstreflexion und wagte nicht zuletzt durch den Impuls von Daniel Heide eine tiefere Beschäftigung mit dem Liedgesang. Für den Bass ist dies ein weiteres Alleinstellungsmerkmal, nachdem er sich auf der Opernbühne unter anderem die Königsdisziplinen von Wagner bis Verdi zu eigen gemacht hat.

Mit Schuberts letzter Liedersammlung Schwanengesang mit Texten von Ludwig Rellstab, Heinrich Heine und Johann Gabriel Seidl präsentiert er sich nun als Liedsänger erstmals in der Oper Frankfurt. Der Zyklus, eigentlich für Baritonstimme konzipiert, wurde sozusagen „tiefergelegt“ und gewinnt dadurch zusätzlich an Komplexität und Durchschlagskraft. Ein weiterer Gewinn für diese Interpretation ist die Ergänzung des Schwanengesangs um vier weitere Schubert-Balladen, die zwischen die sieben Rellstab- und die sechs Heine-Lieder eingefügt wurden. Der Wanderer, Wehmut, Totengräbers Heimweh und Der Tod und das Mädchen haben allesamt einen melancholisch, fast bitteren Charakter mit sehnsuchtsvoller Leitmotivik, die von Fremde, Einsamkeit und dem Wunsch nach Frieden und Erlösung erzählen.

Ihre langsamen Tempi verstärken das Gefühl höchster Verzweiflung, ein Ausharren, geradezu Schwelgen im todtraurigen Empfindungen. Bauer Kanabas wandelt mühelos zwischen den sehnenden, gehauchten, gerade noch hörbaren leisen Tönen und überwältigend dramatischen Ausbrüchen. Besonders deutlich wird dies in Totengräbers Heimweh, dessen Zweiteilung aus ausbrechender Seelennot und erlösendem Seelenfrieden er auf intensive packende Weise aneinanderreiht und mit seinem voluminösem Timbre und nuancierter Artikulation eindringlich interpretiert.

Er nähert sich Schuberts Liedern auf ganz eigene, erfrischende Art und Weise und demonstriert gekonnt, dass seine Erfahrung als Opernsänger beim Liedgesang nicht hinderlich, stattdessen eine geradezu offenbarende Ergänzung ist. So verleiht er jedem Lied einen dramatischen Bogen, entwickelt stets eine in sich geschlossene Erzählung, ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren.

In Der Doppelgänger demonstriert er mit äußerst langsamen Tempi ein Schwelgen in Melancholie und Todessehnsucht, welche die Zeit ins unermessliche dehnen – dies beherrscht er glänzend mit seiner agilen und dennoch festen Bassstimme, die auf ein breites Register zurückgreift. Immer wieder gibt es Ruhemomente, Pausen, die diese sehnsuchtsvollen Empfindungen geradezu zelebrieren, ohne jedoch pathetisch zu wirken. All dies gelingt bei gefühlvoll intelligenter Phrasierung und stets hohem Textverständnis, welches seinesgleichen sucht, doch bei ihm eine Selbstverständlichkeit scheint.

Daniel Heide spielte mit der eleganten Versiertheit eines erfahrenen Begleiters, dessen subtile, feinsinnige Gestaltung als Understatement gilt und eine eindrucksvolle Symbiose mit Bauer Kanabas’ Stimme einging.

Mit zwei Schubert-Liedern als Zugabe schlug er die Brücke zwischen Goethes Geburtsstadt Frankfurt und Thüringen, die Heimat von Heide und Bauer Kanabas, in der auch Goethe bekanntermaßen viel Zeit verbrachte: Der Erlkönig und Wandrers Nachtlied bildeten so den Abschluss dieses romantisch-intensiven Schwanengesangs, das dank der kürzlich veröffentlichten CD-Einspielung des Duos immer wieder nachempfunden werden kann und als eine der wenigen Aufnahmen für Bassstimme einen besonderen Stellenwert einnimmt.

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