Die 45 Mitglieder des seit 1997 bestehenden Mahler Chamber Orchestras stammen aus 20 verschiedenen Ländern und arbeiten als nomadisches Kollektiv, das sich für Tourneen in Europa und der ganzen Welt in ihrer Hausbasis in Berlin zusammenfindet. Das MCO wird gemeinschaftlich von seinem Managementteam und dem Orchestervorstand geleitet; Entscheidungen werden demokratisch unter Beteiligung aller Musiker getroffen.
Die künstlerische Zusammenarbeit mit Dame Mitsuko Uchida begann das MCO im Jahr 2016. Der Schwerpunkt dieser Partnerschaft liegt auf der „geschmackvollen Paarung“ von Komponisten der beiden Wiener Schulen, wobei die Programme in der Regel ein Stück enthalten, in dem das MCO allein spielt.
Im aktuellen Programm war das Arnold Schönbergs Kammersymphonie Nr. 1 E-Dur, Op.9 für 15 Soloinstrumente. Es wurde 1906 fertiggestellt und am 8. Februar 1907 in Wien durch das Rosé-Quartett zusammen mit einem Bläserensemble der Wiener Philharmoniker unter der Leitung des Komponisten uraufgeführt.
Obwohl die Kammersymphonie im Wesentlichen ein tonales Werk im Geiste der Spätromantik ist, experimentierte Schönberg mit neuartigen kompositorischen Elementen, einschließlich der Verwendung von begrenzten Intervallen, Ganztonleitern und extremer Chromatik. Mehrere der Themen enthalten alle zwölf Tonhöhen und weisen damit schon auf Schönbergs Zwölftonmethode, die er in den Jahren darauf entwickelte. Schönberg erklärte 1948: „Als ich meine Erste Kammersymphonie schrieb, sagte ich zu meinen Freunden: ,Jetzt habe ich meinen Stil gefunden. Ich weiß jetzt, wie ich zu komponieren habe.’”
Der Form nach ist die Kammersymphonie ein einsätziges Werk, die traditionellen vier Sätze einer Symphonie sind jedoch auch ohne Pausen noch deutlich zu erkennen. Das größte aufführungstechnische Problem dieses Werkes ist seine Besetzung: Die fünf einzelnen Streichinstrumente können sich in der herkömmlichen Konzertaufstellung in bestimmten Passagen kaum gegen die geballte Bläserkraft durchsetzen.
Das MCO hatte hierfür eine verblüffende Lösung gefunden. Das stehend spielende Ensemble postierte seinen Leiter und Konzertmeister José Maria Blumenschein in Amsterdam ganz vorn auf den Platz des Dirigentenpultes mit seinen Streicherkollegen rechts und links nach hinten versetzt neben ihm und den Bläsern in zwei Reihen dahinter. Blumenschein leitete von dort aus in der Tradition der Wiener Stehgeiger mit körperbetontem Spiel verblüffend effektiv das technisch höchst anspruchsvolle Werk. Es war eine Wonne zu sehen, wie die fantastisch aufeinander eingespielten Musiker hochkonzentriert und eigenverantwortlich ihre Einsätze fanden und die von Tempowechseln dominierte, konstant schneller und langsamer werdende Emotionsmusik mitreißend und überzeugend in den Saal katapultierten.
Statt wie in Luxemburg und Salzburg in ihrem reinen Mozartprogramm mit dem Klavierkonzert Nr. 5, KV175 zu beginnen, hatten sich das MCO und Uchida für die Umrahmung von Schönberg im Amsterdamer Concertgebouw unbegreiflicherweise für einen bombastischen Anfang mit dem Klavierkonzert Nr. 25 C-Dur, KV503 entschieden.
Diese Komposition fällt in die Zeit nach der Vollendung der Hochzeit des Figaro und wurde im Dezember 1786 in Wien innerhalb weniger Wochen vollendet. Uchida saß mit dem Rücken zum Publikum und dirigierte ohne ersichtlichen Grund von dort aus erst stehend die lange Einleitung des ersten Satzes Allegro maestoso. In den ersten Minuten danach war ihr Klavierspiel von Unsicherheiten geprägt, wovon es sich im Laufe dieses Satzes glücklicherweise erholte. Die Klangbalance war wohl wegen des Fehlens des Flügeldeckels, vor allem aber wegen des bezaubernden Orchesterklangs nicht ideal; zu sehr schwelgte das MCO in seinem zugegebenermaßen bravourösen von klassischer Aufführungspraxis geprägten Ensembleklang.
Sein Klavierkonzert in B-Dur KV595 vollendete Mozart 1791 und spielte den Solopart zur Uraufführung selbst. Als Solist war er in seinen letzten Lebensjahren kaum mehr gefragt, dieses Konzert war sein letzter öffentlicher Auftritt dieser Art.
Hier wirkte Uchida nach der Pause mehr in ihrem Element. Wirklich packend aber war diese Aufführung nur in sehr wenigen Momenten, z.B. am Anfang des Larghetto. Das Publikum trug sie trotzdem auf Händen, wofür sie sich mit dem zweiten Satz aus Mozarts Klaviersonate KV330 als Zugabe bedankte.