Es ist Strauss-Wochenende an der Oper Leipzig und am zweiten Tag wird Richard Strauss‘ Wahnsinns-Werk Salome gespielt. Wahnsinn mit allen Mitteln: das Libretto, die Hintergrundgeschichte, die Musik und die Ausstattung. Diese Oper kann einen kaum kalt lassen. Entweder sie ist einem inhaltlich oder musikalisch zu massiv, zu verrückt, oder man kann sich vor Begeisterung über diese großartige Vermischung alten aber immer noch faszinierenden Bibelstoffs mit Strauss‘ Musik, die sich der Moderne annähert, kaum halten. Besonders wenn die Sopranistin Elisabet Strid die Hauptrolle übernimmt und als Rockerbraut und blonde Prinzessin zugleich alle und allen voran sich selbst in den Wahnsinn treibt.

Elisabet Strid (Salome)
© Kirsten Nijhof

Strid ist zwar auf der leichteren Seite des dramatischen Stimmfachs, dafür führt sie ihre Stimme sicher und bringt eine gewaltige Portion Schönheit in die Partie. Diese machte ihr keine hörbare Mühe, Leichtigkeit und Intensität gingen bei Strid Hand in Hand. Ihr starker Ausdruck und ihre spielerische Energie ließen sie wie ein wildes Tier das gesamte Bühnengeschehen beherrschen.

Das von Ulf Schirmer eng zusammengehaltene Orchester unterstützte diese stürmische Figur durch spannungsvolle Ausbrüche, schnelle Übergänge und herrlich dynamisches Spiel. Zügig und präzise leitete Schirmer diese Tonschöpfung, die sich nicht mehr nur dem Schönklang verpflichtet. In kurzweiligen 95 Minuten führte das Orchester mit bombastisch bis liebevollen Klängen durch diese emotionale Achterbahn.

Michael Weinius (Herodas) und Karin Lovelius (Herodias)
© Kirsten Nijhof

Die Ausstattung von der bereits verstorbenen Designerin rosalie ist eine Mischung aus Plastik und Naher-Osten-Anspielungen. Das Lichtkonzept von Michael Röger schafft es aber besonders gegen Ende passende Atmosphären zu schaffen. Vorher gleicht die Bühne, besonders durch die Kostüme, einer militärisch bewachten Drogen-Party reicher Leute. Das in rosa Seidenanzüge gekleidete Herrschaftspaar spritzt und kokst, taumelt und trinkt in ihrem Palast.

Michael Weinius gab einen schmierigen, stimmlich präsenten Herodes. Auch seine Frau Herodias war gut besetzt mit Karin Lovelius. In ihrem Mezzosopran vermischten sich herrlich warme und metallische Klänge.

Tuomas Pursio (Jochanaan) und Elisabet Strid (Salome)
© Kirsten Nijhof

Tuomas Pursio konnte sich als Jochanaan sowohl hören als auch sehen lassen. Aus dem Gully-artigen Gefängnis-Brunnen hörte man ihn zuerst schlecht verstärkt mit störendem Echo. Kommt er aber heraus, entsteht sofort ein sehr potenter Prophet vor den Augen und Ohren des Publikums. Mit großer Stimme und recht starkem Vibrato sang Pursio einen kernigen, natürlich stark wirkenden Jochanaan, der wunderschön lyrisch werden konnte, wenn er von seinem Messias erzählt, der in Galiläa weilt.

Auch die Nebenrollen waren gut besetzt. Besonders Rouwen Huther (1. Jude) mit seinem sehr lustigen Spiel und Patrick Vogel als Salomes liebesergebener Narraboth sind hervorzuheben.

Salome
© Kirsten Nijhof

Ein besonders starker Moment in dieser sonst eher klischee-behafteten Inszenierung ist das Maskentheater, das den Tanz der sieben Schleier zu einem Schauspiel macht. Salomes Verhältnis zu Herodes wird für den Herrscher im Spiel sichtbar gemacht. Wie stark die symbolische Projektionskraft von Maskentheater ist zeigt sich hier sehr eindrücklich.

Auch dank des tief orangefarbenen Lichts ist das Ende der Oper ein warmer, intimer Moment. Strid zieht als einzig Zurückgebliebene mit ihren nuanciert gesungenen Beschwörungen in den Bann. Sie hat endlich Jochanaans „Mund geküsst“ und wird für ihr besessen-wirres Betragen auf Befehlt des Herodes („Man töte dieses Weib!“) erbarmungslos erschossen. Schockiert, verzaubert und begeistert von dieser Frau, dieser Sopranistin bleibt man zurück. Wahnsinn in all seinen Formen!

****1