Die Produktion des Rosenkavaliers, die so schon in den 70ern noch unter Carlos Kleiber gegeben wurde, ist ein wahres Juwel, wenngleich der Kitschfaktor definitiv sehr hoch ist. Als Grundlage dient eine Konzeption von Otto Schenk (Bühne und Kostüme: Jürgen Rose), wobei die optische Ähnlichkeit mit der Wiener Inszenierung Schenks äußerst auffällig ist. Tatsache ist jedenfalls, dass sich die meisten heutigen Regisseure an der grandiosen Personenführung dieser Produktion eine Scheibe abschneiden könnten.

Von kurzen Blicken über teils winzige, aber trotzdem wirkungsvolle Gesten steckt die Inszenierung voller Details, die von einem tiefen Verständnis für das Werk zeugen. Die prächtigen Bühnenbilder verzaubern das Publikum auch nach Jahrzehnten noch und so wurde etwa die Szenerie des zweiten Aufzuges beim Öffnen des Vorhanges mit begeistertem Applaus aufgenommen. Die verspielten Rokokoräume, mit ihren zahlreichen opulenten Verzierungen und die eleganten aufwendigen Kostüme, machten den Abend alleine schon optisch zu einer wahren Augenweide. Besonders die Kostüme der Marschallin, die ja die große Sympathieträgerin und insgeheime Hauptfigur der Oper ist, sah in ihren prächtigen, herrschaftlichen Kostümen überaus eindrucksvoll aus.

Generalmusikdirektor Kirill Petrenko steuerte diesem optischen auch einen musikalischen Zauber bei und führte das Bayerische Staatsorchester mit solcher Genauigkeit und Musikalität durch den Abend, dass es eine Freude war. Petrenko verstand den „Wiener Schmäh“ der Partitur auch angemessen umzusetzen und dirigierte das Orchester mit Schwung und Leidenschaft, was das Orchester zu einer beeindruckenden klanglichen Bandbreite anstiftete. Das Orchester spielte mit strahlender Brillanz und zeigte mit größter Genauigkeit und ausgezeichneter Artikulation, dass es eines der führenden Opernorchester des deutschsprachigen Raumes ist.

In den diversen kleinen Solistenrollen zeigte sich die ausgezeichnete homogene Besetzungskultur der Bayerischen Staatsoper, wo selbst die kleinsten Rollen äußerst qualitativ besetzt wurden. Trotz seiner Kürze ist der Auftritt des italienischen Sängers natürlich von großer Bedeutung und wird vom Publikum mit Spannung erwartet. An diesem Abend verkörperte der koreanische Tenor Yosep Kang diese Rolle mit wunderbar klarer Stimme. Sein Tenor ist tragfähig, ausgeglichen und seine Darbietung bestach durch äußerst schöne Phrasierung und einer mühelosen Höhe. Mit Heike Grötzingers flexiblem Mezzo und Ulrich Reß' kraftvollem Tenor waren die Rollen des Intrigantenpaares Annina und Valzacchi durch zwei Ensembleurgesteine bestens besetzt und besonders Grötzinger konnte in ihrem Auftritt am Ende des zweiten Aufzugs mit geschicktem Spiel überzeugen. Martin Gantners Faninal stach mit klarer, heller Stimme und beispiellos deutlicher Artikulation hervor, sodass man jedes Wort ausgezeichnet verstehen konnte.

Ein Highlight in jeglicher Hinsicht war Hanna-Elisabeth Müller als Sophie, da sie nicht nur stimmlich, sondern auch optisch in die Rolle passte. Ihr klarer, sanfter lyrischer Sopran konnte sich gut gegen das Orchester behaupten und klang einfach grandios in den vielen schönen lyrischen Gesangslinien dieser Rolle. Einzig der typisch Strauss'sche Silberklang im hohen Register fehlte mir teilweise, was der Gesamtleistung allerdings nichts anhaben konnte. 

In der Rolle des Ochs, die ja ursprünglich die Titelfigur sein sollte, hörten wir den österreichischen Bass Günther Groissböck, der zweifellos der Ochs unserer Tage ist. Er füllte die Rolle nicht nur stimmlich ausgezeichnet aus, sondern überzeugte auch mit packendem Spiel: Sein Ochs ist kein schwerfälliger, dicker, alter Herr, sondern ein gekonnter Verführer, der sich geschickt an alle möglichen Frauen heranmacht.

Daniela Sindram war ebenfalls sehr überzeugend mit einem starken Mezzo, dessen samtig-warmer Klang für die Rolle nahezu perfekt war. Mühelos meisterte sie die Höhen und Tiefen der Rolle und war auch schauspielerisch überaus passend besetzt. Ein szenisches Highlight war natürlich die Überreichung der Rose, bei der Müller und Sindram mit ihren Blicken diese „Liebe auf den ersten Blick“ ausgezeichnet zu vermitteln wussten. Selten war diese Szene so realistisch und authentisch wie in dieser Vorstellung.

Die Feldmarschallin wurde vom Publikumsliebling Anja Harteros gesungen, die die Rolle überaus elegant und nobel gestaltete. Das Strauss'sche Parlando gelang ihr hervorragend und auch die sanglicheren Stellen meisterte sie bravourös mit kräftiger Stimme, deren Schönklang schlichtweg betörend ist. Ihre Marschallin war verspielt und melancholisch zugleich, wobei sie im letzten Aufzug auch eine bestimmte autoritäre Seite von sich zeigte. Ihr großmütiger Verzicht am Ende des ersten Aufzuges rührte fast zu Tränen und bescherte ihr Begeisterungsstürme vom Publikum.

Ein weiterer Höhepunkt der Aufführung war die Verführungsszene zu Beginn des letzten Aufzuges, in dem Ochs den als Mariandel verkleideten Octavian zu verführen versuchte. Der Witz dieser Szene gelang Sindram und Groissböck sehr gut und brachte einige Lacher des Publikum aufgrund der karikierten Darstellung eines Wiener Beisl-Milieus.

Mit dieser Rosenkavalier-Vorstellung zeigte sich die Bayerische Staatsoper wieder einmal von ihrer besten Seite mit einer Besetzung, die für einen Abend voller grandioser Unterhaltung sorgte. Eine Produktion, die auch nach Jahrzehnten nichts von ihrem Zauber eingebüßt hat und das Publikum immer wieder lockt.

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