Schon nach nur zwei erfolgreichen Konzertverpflichtungen bot das Concertgebouworchester dem jungen finnischen Dirigenten Klaus Mäkelä im letzten Jahr die Chefdirigentschaft (in der Nachfolge von Mengelberg, Haitink und Jansons) an. Der 26-Jährige war aber damals schon Chefdirigent bei zwei Toporchestern und sagte darum erst für 2027 zu: „Ich wollte unbedingt meine Verträge in Oslo und Paris erfüllen. Aber ehrlich gesagt, habe ich das Gefühl, dass ich in Amsterdam bereits Chef bin. Ich helfe, über das Repertoire nachzudenken und bin bei Probespielen dabei. Jedes Jahr komme ich öfter, so dass wir in einem schönen Crescendo auf 2027 hinarbeiten.“

Klaus Mäkelä
© Marco Borggreve

Das gestrige Konzert in Amsterdam schien schon deutlich seine Handschrift zu tragen. Auf dem Programm stand zuerst Batteria (2016) seines Landsmannes Sauli Zinovjev. Mäkelä dirigierte das voll besetzte Werk mit viel Schwung und Leidenschaft. Melancholische Bratschen wechselten sich ab mit Blechbläserblöcken, drohendes Getöse mündete in einen Beinahe-Stillstand, aus dem wenig später große Klangwellen von einer Seite des Orchesters zur anderen rollten. Und ganz plötzlich, als wäre der letzte Satz noch nicht gesprochen, ließ Mäkelä Batteria mitten im genialen Schwung bravourös enden.

Alexander Raskatov ist in Amsterdam durch die Aufführungen seiner Oper A Dog’s heart bekannt. Sein gestern uraufgeführtes Oboenkonzert „Time's River” ist inspiriert von dem pessimistischen Gedicht des russischen Dichters Gavrila Derzhavin (1743 – 1816). Die Struktur dieses sechssätzigen Werks „dessen Ziel es ist, in das Unbewusste eines imaginären Zuhörers einzudringen, bezieht sich auf die Mechanik der menschlichen Psyche, wiederholt sich, aber nicht systematisch, mit Erinnerungen an die Kindheit und traditionellen Melodien.“ Der Solooboist des KCO, Alexei Ogrintchouk, spielte den äußerst virtuosen Solopart mit großer Gestik und überzeugend energischem Ton. Scheinbar mühelos wechselte er von komplizierten Klangproduktionen zu lyrischen Melodiebögen und zurück. Das Chiaro begann mit einem wundervollen Blechchoral von jeweils zwei Hörnern und Posaunen. Dazu ließen die kleinbesetzten Streicher ihre Bögen auf den Saiten tanzen. Im Con Moto setzte Ogrintchouk zu einer weitläufigen Klangrede an gegen scharfe Bläser und pizzicato Celli. Das Allegretto volante war voll schneller Läufe, beeindruckte aber noch mehr durch Raskatovs Klangfarben. Bei dem von ihm eingesetzte Schlagzeugarsenal fantasierte man erst eine winterliche Schlittenfahrt und später asiatische Tempelbesuche. Sogar eine Jazz- Ballade kam ins Gespräch. Erst im letzten Satz, Lullaby of Water, wurde die Zeit ein wenig lang und erinnerte daran, dass Zeit auch ein Geduldsspiel sein kann.

Strawisnky komponierte seinen Feuervogel im Jahre 1910 für das Ballets Russes von Sergei Djagilew. Die Vertonung von russischer Märchentradition mit seinen effektvollen Figuren wie dem glänzenden Feuervogel, der entführten Prinzessin und dem grausamen Zauberer machte ihn in Paris und darüber hinaus auf einen Schlag berühmt. Mäkelä legte an diesem Abend dem KCO seine diesbezüglichen persönlichen Klangvorstellungen mühelos auf. Er konnte seine Musiker nicht nur effektiv und ausdrucksstark durch die Höhepunkte der abwechslungsreichen Partitur lenken, sondern darüber hinaus vor allem mühelos Spannung erzeugen und dank seiner virtuosen Tempi und den elastischen Übergängen festhalten und immer wieder in neue Bahnen lenken. Stellenweise klang Strawinskys bekannteste Ballettmusik unerhört neu.

Mäkeläs feingewobener Klangteppich mit schmeichelnden Soli und rauschenden Ensemblegewalt schmeckt nach mehr!

****1