Nein, diese Überschrift entspringt nicht der kreativen Ader Ihrer Rezensentin, diese Zeile lässt das Regiekollektiv Spymonkey Herrn Offenbach an der Volksoper selbst sagen, als er seine Wiener Eurydike erblickt. Der Komponist weilt in dieser Inszenierung nämlich in der Stadt, um seinen Dauerbrenner-Erfolg Orpheus in der Unterwelt zu sehen, und ein Denkmal für sich zu fordern. Bis es soweit ist (und dann kommt es anders, als man denkt), rollen aber noch etliche Gags am Gürtel.

Orpheus in der Unterwelt
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Kalauer wie den obigen gibt es genug: „Schluss mit der Ewigkeit“ oder „Götterspeise – Megascheiße“ heißt es etwa auf den Plakaten der Götter, die im Olymp gegen die dort übliche Nektar- und Ambrosia-Diät revoltieren. Aber Wortwitz ist gar nicht das meistverwendete Stilmittel der britischen Schmähführer, ihr Humor hat viel mit Charlie Chaplin und Monty Python zu tun und ist „physical“ in dem Sinn, dass viel mit Körpersprache und Choreographie gearbeitet wird. Ergänzt wird das Ganze durch bewusst kitschige antike Kulissen und originelle Kostüme von Julian Crouch.

Orpheus in der Unterwelt
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Beispiele gefällig? Im ersten Bild gibt es ein Schaf-Ballett, und die Schaf-Kostüme haben schwarze Beine wie Shawn das Schaf, andererseits zeigen sie die Gesichter der Tänzer, die die Mimik von Schafen eingeübt haben – wenn sie dann auch noch geschoren werden, schauen sie dementsprechend „belämmert“ drein. Klingt komisch, ist es auch. Im zweiten Bild, in Eurydikes Unterwelt-Boudoir, sind sämtliche Möbel lediglich Kulissen-Bretter, und wenn jede*r – zwangsläufig erfolglos – versucht, sich auf einen gemalten Fauteuil zu setzen, ist das bestens angewandtes Komödienhandwerk. Wenig später treten tanzende britische Liebes-Polizisten in Knallpink auf, aber statt Trillerpfeifen haben sie Blockflöten dabei, denen sie nur einen Ton entlocken können – jeder Bobby wird so zu einer Art Orgelpfeife. Ein Highlight ist auch der in eine schillernde Fliege verwandelte Jupiter. Bei ihm weiß man nicht, was ihn mehr anzieht: Eurydike oder das Gackerl, das der Höllenhund Zerberus zuvor auf den Bühnenboden gelegt hat, und welches, nachdem einige drumherum und hineingetappt sind, irgendwann original wienerisch entsorgt wird – mit einem (großen) Sackerl. Dass die Weibsteufel, die den berühmten Cancan tanzen, keine Weiber sind, sondern nur so aussehen, kann man sich denken, auch wenn das Motto des Abends ist, Erwartungen bestmöglich zu enttäuschen. Wenn sich Längen auftun, dann nur, weil im Dauerfeuerwerk wahrscheinlich das eine oder andere Detail untergeht.

Orpheus in der Unterwelt
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Wer in dieser Slapstick-Show den Faden der Handlung verliert, wird ihn gar nicht suchen wollen, aber trotzdem bekommt man am Schluss eine nicht unkluge Zusammenfassung serviert, besser gesagt: Eurydike wirft sie Herrn Offenbach direkt an den Kopf. Zuerst muss sie die unsäglich fade Ehe mit dem Konservatorium-Professor, Geiger und Möchtegern-Star Orpheus ertragen, der Geliebte Aristeus entpuppt sich als Pluto, Herr der Unterwelt, wo es auch nicht erquicklicher zugeht. Zum Schluss muss sie noch zurück zu ihrem Mann, und auch das hat einen Haken (er war ja nicht unfroh, dass sie zu Beginn per Schlangenbiss zur Hölle fahren musste). Davor kommen noch die Götter auf eine Party in die Unterwelt, denn im Olymp gibt’s generell zu wenig „Action“.

Orpheus in der Unterwelt
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

In der Partie der Eurydike war Hedwig Ritter zwar unglaublich sympathisch, schien aber nicht ganz intonationssicher, auch wenn einige Töne bewusst komödiantisch angelegt waren. Gesanglich und schauspielerisch tadellos waren ihre Partner (Orpheus: Daniel Kluge, Aristeus/Pluto: Timothy Fallon). Mit den Gesangskünsten des Göttervaters (Marco Di Sapia) wurde man allerdings nicht so recht glücklich, da fehlte es an Prägnanz. Auch aus der Partie des Merkur (Jakob Semotan) könnte man mehr machen, als halbnackt und mit kurzem Gold-Hoserl auf einem geflügelten Hoverboard herumzufahren, und bei John Styx (Sebastian Matt), hatte man einmal mehr das Gefühl, in einem Theater mit Musik zu sein – dass das Lied über sein früheres Leben als Prinz in Arkadien nach Böotien verlegt wurde, ist außerdem eine verschenkte Pointe; ohne Google wissen höchstens die Altphilologen, dass für die antiken Burgenländerwitze die Böotier herhalten mussten.

Ruth Brauer-Kvam (Öffentliche Meinung)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Multitalent Ruth Bauer-Kvam kommt bekanntermaßen von Musical und Schauspiel und tritt als „die öffentliche Meinung“ in einem Kostüm auf, in dem sie von Herren in gescheckten Strumpfhosen herumgetragen werden muss. Stilmäßig könnte sie damit als Turandot durchgehen (die Anspielung auf die gnadenlose Herrscherin ist wahrscheinlich gewollt), allerdings reicht das Gesangstalent bereits für Offenbach nicht. Wenn der Punkt dieser Besetzung sein soll, die öffentliche Meinung die Stimme des Volkes wiedergeben soll, so hätte man sich das lieber gedacht als gehört – da gibt es glücklichere Crossover-Projekte. Viel Freude machen hingegen Ballett und Chor.

Hedwig Ritter (Eurydike) und Marco Di Sapia (Jupiter)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Musikalisch zusammengehalten wird der höllische Comedy-Flohzirkus von Alexander Joel, der die Herausforderung mit Bravour und musikalischem Witz meistert. Er hat es mit qualitativ höchst unterschiedlichen Sänger*innen zu tun und schafft es trotzdem, dass niemand „untergeht“. Wie selbstverständlich sorgt er für das präzise musikalische Timing, das wesentliches Element dieser Inszenierung ist. So wie jeder Schritt, den Kriegsgott Mars die Treppe hinabsteigt, ein Trommelschlag ist, so geht das Publikum mit dieser Schmähbrüder-Inszenierung mit. Der lautstarke Jubel zum Schluss war daher wenig überraschend.

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