Die Intrigen und Missverständnisse aus Le Nozze di Figaro aufzuzählen wäre ein langwieriger Prozess, wo die Geschichte schon fast für eine ganze Oper zu umfangreich ist. Da muss das Bühnenbild nicht unbedingt ebenfalls überfüllt sein, und in der Inszenierung von Dieter Dorn zeigt sich, dass die Mozart-Komödie auch mit dezenter Requisite auskommt. Für den Erfolg ist allerdings zu einem Gutteil auch das Starensemble um Diana Damrau als Gräfin verantwortlich.

Die Inszenierung stammt aus dem Jahre 1997 und bietet keine großartig aufregenden oder gar irritierende Momente, sondern legt ihren Schwerpunkt komplett auf die Komik in Mozarts Oper. Ein weißer Raum, der sich perspektivisch zur Bühnenrückwand verjüngt und von hinten beleuchtet wie ein aufgeschnittener, leuchtender Würfel wirkt, sowie minimalistische Requisiten wie ein paar blaue Stühle oder ein Bett ohne Matratze mussten genügen, um für dreieinhalb Stunden zu unterhalten. Doch das reichte, da Dorn die Witze überspitzte und teilweise mit einer ordentlichen Portion Slapstick würzte. Bei den Kostümen gab es da weit mehr zu entdecken. Die Gräfin mit Cul de Paris und die anderen Charaktere trugen die üppige Mode des Rokoko, wobei auch mit den Kostümen auf die Standesunterschiede hingewiesen wurde, mit denen Mozart in seiner Oper spielt. Gräfin und Graf trugen edle Roben in leuchtenden Farben, im Falle des Grafen gerne auch mit regenbogenbuntem Karo, während Susanna und Figaro mit pastellfarbenen, einfachen Kostümen auskommen mussten.

Diese Inszenierung gelang über die vier Akte hinweg recht kurzweilig, war gleichzeitig aber auch nicht großartig fordernd oder gar innovativ. Vielleicht hätte dies auch nur zu sehr von der exzellenten musikalischen Leistung der Musiker abgelenkt, die unter der Leitung von Antonello Manacorda einen spritzigen Mozart boten, der mit flotten Tempi überzeugte. Auch wenn es Manacorda nicht auf das letzte Detail ankam, spürte man die gute Zusammenarbeit zwischen dem Orchester und den Sängern. Letzteren gab er genügend Raum zur Entfaltung, forderte aber das Orchester in den instrumentalen Passagen und nutzte die reiche Instrumentation Mozarts mit üppigen Fortes aus.

Alex Esposito verkörperte den von den Frauen manchmal etwas überforderten Figaro mit samtigem, fließendem Bass; seine Höhe war angenehm unangestrengt und bot gleichzeitig großes Volumen. Esposito konnte mit der Titelrolle seine stimmliche Flexibilität und Abwechslung sehr gut unter Beweis stellen und nutzte die komödiantischen Momente, um seinen leicht tollpatschigen Figaro zu kreieren. Tara Erraughts Susanna war dahingegen eine unschuldige, ihrem Verlobten und der Gräfin gegenüber loyale, allerdings auch selbstständige Frau. Erraughts Stimme bestach mit klarem, jugendlichem Kern und vollen Spitzentönen, die sie ihrer farbenreichen Basis verdankt. Mit ihrer Susanna setzte sie ein kleines Ausrufezeichen und unterstrich noch einmal mehr ihr großes Potential. Gemeinsam mit Diana Damrau als Gräfin bildete sie ein Frauenpower-Team, das die Marotten ihrer Männer aufdeckte.

Als Gräfin konnte Damrau ihre komische Ader auszuspielen und sie hatte sichtlich Vergnügen dabei. War sie im einen Moment die beim Intrigieren ertappte Ehegattin, stolzierte sie im anderen Moment bereits wieder als affektierte, über die Eifersucht ihres Ehemanns zutiefst gekränkte Ehefrau über die Bühne. Wie nicht anders zu erwarten lieferte Damrau auch stimmlich eine grandiose Gräfin mit großer Palette an Stimmfarben ihren feinen und scheinbar mühelosen dynamischen Modulationen. Dabei trugen ihre im Pianissimo interpretierten Triller den Charakter einer verschmitzten, aber gleichzeitig auch ziemlich wütenden Gräfin über den Orchestergraben.

Grund für ihre Wut ist natürlich der Graf, der von Mariusz Kwiecień interpretiert wurde. Der Pole gestaltete die Rolle als unkontrollierter Lebemann, der tun und lassen kann, was ihm gerade einfällt, dabei ist aber auch er von Eifersucht getrieben. Kwiecień verfügt über einen fließenden, hohen Bariton, der im Kern ein kantiges Timbre hatte. Allerdings lag ihm auch der lyrisch-weichere Ton, wie er im Finale bewies, als er die Gräfin aufrichtig um Verzeihung bat.

Angela Brower oblag als Cherubino die berühmteste Arie der Hochzeit des Figaro und auch sie bewies, wie Erraught, dass die Staatsoper über ein hervorragendes Ensemble verfügt. Brower entwickelte die Arie über die verschiedenen Gemütszustände ihres Charakters. Zu Beginn war Cherubino noch verschüchtert vor der Gräfin und Susanna, was Brower mit einem klaren, schlichten und zurückhaltenden Piano ausdrückte. Je weiter aber die Arie voranschritt, desto mehr öffnete sich Browers Klang und gewann an Emotionen. Allerdings blieb der Charakter der Arie stets im Sinne der Handlung ein reines, nicht überladenes Liebeslied.

Die Hochzeit des Figaro im Münchner Nationaltheater war eine musikalisch brillante Hommage an Mozart, die szenisch der Musik etwas hinterherhing.

***11