Die Uraufführung von Olivier Messiaens Quatuor pour la fin du temps (Quartett für das Ende der Zeit) fand am 15. Januar 1941 im Kriegsgefangenenlager Stalag VIIIA, etwas südlich von Görlitz, einer Stadt im damaligen Schlesien statt. Heute gehört Görlitz zu Sachsen und ist eine geteilte Stadt. Sie liegt an der Neiße und auf der anderen Seite des Flusses liegt die polnische Stadt Zgorzelec. Die beiden Städte schlossen 1991 eine Partnerschaft als Europastadt Görlitz- Zgorzelec. Das ehemalige Lager liegt zwischen der Gemeinde und der Stadt Zgorzelec. Seit 2004 gibt es dort das europäisches Bildungs- und Kulturzentrum Meetingpoint Music Messiaen, in dem jedes Jahr am 15. Januar Messiaens Kammermusikwerk aufgeführt wird. In Leiden verband das Kammermusikensemble Het Collectief das Quatuor nun mit Tristan Murails Stalag VIIIa.

Ankündigung der ersten Aufführung am 15. Jänner 1941
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Die Besetzung des Quatuor, Klarinette, Violine, Cello und Klavier wurde von den damals unter den Gefangenen verfügbaren Musikern und Instrumenten vorgegeben; die Proben fanden in den Waschräumen statt. Das Publikum der Uraufführung bestand aus vierhundert Gefangenen und ihren Bewachern. Trotz der Tatsache, dass der größte Teil des Publikums wenig musikalische Vorbildung besaß, erklärte Messiaen später, dass seine Musik nie wieder mit solcher Aufmerksamkeit und solchem Verständnis angehört worden sei.

Der tiefgläubige Messiaen bezieht sich in seinem Vorwort auf die Offenbarungen 10 des Johannes aus dem neuen Testament: „Der erste und der dritte Teil (sehr kurz) beschwören die Macht dieses mächtigen Engels, mit einem Regenbogen auf dem Haupt und mit einer Wolke bekleidet, der einen Fuß auf das Meer und einen Fuß auf die Erde setzt. Im Mittelteil erklingen die ungreifbaren Harmonien des Himmels. Im Klavier erklingen süße Kaskaden blau-oranger Akkorde, die in ihren fernen Klängen den fast klagenden Gesang von Violine und Cello einschließen.“ Gleichzeitig experimentiert Messiaen mit dem Faktor Zeit in seiner Musik. Der dritte Satz Abîme des oiseaux (Abgrund der Vögel) ist ein fast zehn Minuten langes getragenes Klarinettensolo. Julien Hervé, der Soloklarinettist des Philharmonischen Orchesters Rotterdam spielte diesen monumentalen Satz lyrisch klangschön mit endlos langen Atemlinien. Mehrmals begann er eine Melodie aus fast gespenstisch unhörbarer Stille und zwang das Publikum damit zu ganz besonders intensivem Zuhören. „Vögel sind die besseren Komponisten!“ Dieser Leitspruch Messiaens wurde gerade in diesem Satz mit seinen vielfältigen Zitaten aus der Welt der Vogelklänge überzeugend unter Beweis gestellt. Immer und immer wieder ließ Hervé Messiaens faszinierende Spannungsbögen entspannt auslaufen, um gleich darauf den nächsten auf den Weg zu bringen. Mit einer Engelsgeduld ging er in der Interpretation dieser unvergleichlichen Musik auf und verzauberte so den Kammermusiksaal des Leidener Stadsgehoor-Saals in eine mythische Märchenkapelle.

Der letzte, achte Satz, Louange à l’immortalité de Jésus (Lobpreis der Unsterblichkeit Jesu) ist eine langsame Klostermeditation für Geige und Klavier, die im „ewigen Schnee“, den höchst möglichen Tönen auf der Violine von Wibert Aerts endete. Pianist Thomas Dieltjes imitierte mit seinen vollgriffigen Akkorden den menschlichen Herzschlag und hielt wie schon in den Sätzen zuvor mit immens variabler Dynamik seine Mitspieler zusammen und im Zaum.

Het Collectief (Das Kollektiv) ist ein 1998 in Brüssel gegründetes Kammermusikensemble. Es konzertiert mit einem festen Kern von Bläsern, Streichern und Klavier. Nach einer kurzen ersten Hälfte des Konzert mit dem Klarinettentrio von Brahms, bei dem auch Cellist Martijn Vink glänzte und alle drei Instrumente schon gleich zu Beginn zu einem sanft zusammenschmelzenden feinsinnigen Ensembleklang fanden.

Nach der Pause spielte Het Collectief Stalag VIIIa (2018) von Tristan Murail, eine Komposition in derselben Besetzung wie Messiaens Quatuor. Murail schrieb es voller kalter und extremer Klänge, die das menschenverachtende Lager in dem Messiaens Meisterwerk entstand, oberton- und assoziationsreich beschreiben soll. Mehrmals werden Quatuorharmonien zitiert und das Ende von Stalag VIIIa ist so geschrieben, dass es nahtlos in Messiaens Komposition übergehen kann. Het Collectief knüpfte damit zwei aussagekräftige Stücke französischer Komponisten zu einem beeindruckenden zur christlichen Osterbotschaft passenden Konzerterlebnis zusammen.

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