Das Konzerthaus Berlin nahm sich im Rahmen des Pilotprojekts „PerspektiveKultur“ der Senatsverwaltung eine kurze Auszeit in einer monatelangen musikalischen Fastenzeit und lud Christian Tetzlaff, Elisabeth Kufferath und Tanja Tetzlaff sowie später Kiveli Dörken zu einem Kammermusikabend mit Mozart und Brahms ein.
Mozarts Streichtrio in Es-Dur wurde zunächst mit großem Ernst vorgetragen, dass sich das Publikum gefragt haben dürfte, warum dieses Werk ein „Divertimento“ ist. Mozart selbst hatte sein später als KV 563 gezähltes Stück auf den Namen „Gran Trio“ getauft. Sorgfältig intonierte das Ensemble die das Werk eröffnende thematische Konfiguration, in der jedes Instrument einmal die Führung übernimmt. Besonderes Gewicht hatte dabei Elisabeth Kufferath an der Bratsche. Mozart liebte diese Altstimme und gab dem oft stiefmütterlich behandelten Instrument nicht nur in diesem Werk reichlich Nahrung. Das gesangliche Seitenthema wirkte demgegenüber wie eine von außen in diese anspruchsvolle Musik eingenähte Enklave.
Das zweite Thema des langsamen Satzes, eine Variante des labyrinthischen und in sich verzweigten ersten, trug Christian Tetzlaff als eine begleitete Arie vor und ließ sein Instrument in höchsten Tönen brillieren. Den rustikalen Zwiefacher im ersten Menuett nahmen die drei MusikerInnen sehr beherzt. Im Thema der Variationenfolge des vierten Satzes herrschte Schlichtheit vor. Über die virtuosen Figurationen und Ornamente der ersten beiden Variationen hinweg, gelangte das Trio in ein Ricercar, in dem das Gerüst des Themas im mehrfachen Kontrapunkt durch die Stimmen zu führen war, bevor dieses thematische Extrakt schließlich, wie als dekolorierter cantus firmus, warm im Ton von Kufferath intoniert, von fast mechanisch-harten Fiorituren in Violine und Violoncello umrahmt, die letzte Variation bildete.
Im Finale hat Mozart nach dem Refrain zunächst ganz sachte in allen drei Instrumenten unisono einen Trommelrhythmus anklingen und im Laufe des Satzes an Gewicht zulegen lassen, bis er in der Coda schließlich alle anderen thematischen Gestalten verdrängt hat. Effektvoll vertrieben die Drei, die dieses rhythmische Motiv am Schluss in jedem Instrument auf einer anderen Taktzeit zu spielen haben, jede Klangschönheit aus dem Saal, so als hätte das Artifizielle am Ende allen Gesang eingeholt.
Es folgte Brahms’ tiefschwarzes Klavierquartett c-Moll. Mit großem Ton breiteten die Streicher im Gefolge des wie paralysiert vom Klavier zu Anfang gesetzten Forteakkords die schweren Seufzer aus. Im Pizzicato drängten sich markiert, aber leise die Strahlen hervor, die bis in den herrlich leuchtenden langsamen Satz in E-Dur reichten. Nun entfaltete sich ein großes Drama: Die Seufzer des Beginns wurden ins Orchestrale gesteigert. In der Durchführung erhob sich das leidende Hauptthema dann zu heroischer Gestalt, während das in der Exposition so tonschöne, von Dörken als vorübergehende Idylle gespielte Seitenthema in der Durchführung wie verstört anmutete, wenn die Motivfetzen in einen hektischen Kanon in den Streichern gezwängt wurden.
Im geisterhaften Scherzo steigerte das Ensemble die Dramatik des Kopfsatzes zu einer wilden Jagd aus hämmernden Triolen, die Klavier und Streicher einander zuwarfen. Das Andante tauchte das Ensemble in ein für Brahms so charakteristisches herbstliches Gold. Tanja Tetzlaff durfte im Violoncello eine der expressivsten Melodien vortragen, die Brahms ihrem Instrument geschenkt hat.
Das Ensemble interpretierte das Finale als ein kammermusikalisch-misanthropisches Gegenstück zu dem apotheotischen, mit dem er die Erste Symphonie schließen sollte. Kraftvolle Triolen führten auf ein Choralthema hin, das von den Streichern ganz schlicht vorgestellt wurde. Dörken spielte mit innigster Empfindung. Die Streicher begleiteten leiser noch als im Pianissimo. Brahms wollte den Choral nur wie einen „Hauch aus weiter Ferne“, wie als „eine Vision“ vorgetragen haben. Ganz am Ende, wo finaler Triumph zu erwarten gewesen wäre, ließ das Ensemble alles in chromatisch absteigenden Läufen ausklingen.
Als Brahms die Endfassung des Quartetts 1875 an seinen Verleger Simrock schickte, schlug der Komponist vor, man sollte doch in der Notenausgabe ein Bild von ihm „im Werther-Kostüm“ abdrucken. Fielen in den beiden C-Dur-Schlussakkorden womöglich die Schüsse, mit denen Goethe seinerzeit die Weltliteratur erschütterte? Der jubelnde Beifall wollte sich von derlei pessimistischer Haltung nicht anstecken lassen. Aber das Ensemble wird sich schon etwas dabei gedacht haben, dieses Konzert so tiefschwarz zu beenden.