Während draußen die heiße Sommersonne unterging, begann in der Elbphilharmonie das letzte Philharmonische Konzert der Saison mit flirrenden Klängen einer Musik der Endzeit. Bei Messiaens Quatour pour la fin du temps ist es eher ein musikalischer Versuch der Beschreibung, bei Bruckner mit seiner Neunten Symphonie leider wörtlich das Ende seines Schaffens. Beide Männer waren auf ihre Art gläubig. Messiaen, der die Welt der Vögel oft in seiner Musik vertonte, glaubte an die Allgegenwärtigkeit Gottes in Mensch und Natur. Bruckner, der 12 Jahre vor Messiaens Geburt in Wien starb, war durch und durch in der katholischen Tradition verwurzelt und widmete laut Überlieferung seine epische, letzte Symphonie nicht einem Menschen, sondern "dem lieben Gott". Bruckner schrieb nur drei vollständige Sätze für seine Neunte. Sein eigenes Ende kam vor der Vollendung des vierten. Als Messiaen sein Quartett für das Ende der Zeit komponierte, war der 32-jährige zwar nicht am Ende seines Lebens, saß aber in einem Gefangenenlager und sah, während in Europa der Zweite Weltkrieg tobte, einer ungewissen Zukunft entgegen.
Trotz seiner Gefangenschaft und der schrecklichen Zeiten klingt das Wunderbare in Messiaens Musik auch hier mit. In den acht sehr unterschiedlichen Sätzen des Quartetts ließen die Solisten des Philarmonischen Staatsorchesters das Publikum träumen, aufmerken, und melancholisch nachdenklich werden. Allen voran zeigte Solo-Klarinettist Rupert Wachter im Solosatz Abgrund der Vögel verschiedenste Klangfarben, herrliche Pianissimo-Ansätze und traumhaft spannungsreichen Phrasenaufbau.
Zusammen mit der Pianistin Elisaveta Blumina, der zweiten Konzertmeisterin Joanna Kamenarska und dem Solo-Cellisten Thomas Tyllack gelangen vor allem die ruhigen Passagen – auch, weil Klavier und Geige in diesem Saal schnell hart klingen, Blumina es im Piano aber schaffte, mit erstaunlich leichtem Anschlag zu spielen. Es fehlte etwas an Kante, aber die Balance und das Timing zwischen den Musikern waren sehr gut. Abschließend zog Kamenarska die Zuhörer mit dem zauberhaft gefälligen Solosatz Lobpreis der Unsterblichkeit Jesu in ihren Bann. Man konnte quasi hören wie viele Bogenhaare sie nutzte. Die Akustik überträgt alles! Das macht es anspruchsvoller, aber auch perfekt für Kammermusik und Messiaens Geigensolo, dass am Ende im Nichts verschwindet.
In der zweiten Hälfte gab es genau das Gegenteil zu hören: Bruckners unvollendete Symphonie mit ähnlich wenig Kante, aber schönen breiten Streichern und kräftigen Hörnern. Kent Nagano dirigierte einen Bruckner ohne viel Aufbau, abrupten Übergängen und in stark besetzten Passagen leider mäßiger Balance, sodass Streichermelodien vor den Bläsern untergingen. Es verwundert doch, dass Nagano selbst nach längerer Erfahrung diese Balance nicht herstellen kann oder will.
Die großen Streicherpassagen hingegen waren schmalzig-schön und auch der zweite Satz, der von starken Staccato und Pizzicato geprägt ist, klang überaus präzise und spannend. Neben kammermusikalischen Momenten spielte das Orchester hervorragend und engagiert. Der sonst in der Ecke des Grabens sitzende Solo-Paukist Brian Barker ist hier einmal deutlich hervorzuheben. Nicht nur, dass er wie so oft bewundernswerterweise auswendig spielte, er hatte sichtbar Spaß dabei und war sehr differenziert im Spiel, von begleitend bis führend.
Auch im dritten Satz blieb es bei einer Mischung aus schöner Breite und halbherziger Spannung, die schon beim „Schrei“ am Anfang deutlich wird. Undurchsichtige Steigerungen standen schönen ruhigen Phasen mit gehaltenen Tuben-Klängen und Streichern gegenüber. Diese Symphonie, die epische Formen annimmt und für kommende Komponisten ein Vorbild wurde, zeigt sich hier in einer weniger epischen, aber trotzdem in schöner Form und klaren Hornklängen am Ende.