Einen besonderen Opernabend bescherte die Semperoper mit einer Repertoire-Vorstellung von Wagners Lohengrin, der einem Magneten gleich Publikum aus aller Welt lockte. Der Grund waren die Debüts von zwei der größten Opernstars der Gegenwart: Anna Netrebko und Piotr Beczala. Steht dann auch noch Klangmagier Christian Thielemann am Pult seines Orchesters, so ist ein brillanter Abend bereits vorprogrammiert.
Christine Mielitz' Inszenierung, bereits über 30 Jahre alt, ist konventionell. Zwar sind Bühnenbild und Kostüme (Peter Heilein) hübsch anzusehen, aber nicht mehr: Das elegante Glashaus und das majestätische Bett im dritten Aufzug wirkten sehr ästhetisch, konnten aber sonst nicht punkten. Besonders kitschig wirkte der glitzernde, statuenartige Schwan, der auf mich wenig Eindruck machte, doch die detailreichen Kostüme waren bemerkenswert. Vor allem das königliche Gewand der Elsa im zweiten Aufzug wirkte tatsächlich einer Herrscherin würdig. Ein interessanter Aspekt, der in heutigen Inszenierungen oftmals fehlt, ist die Führung der Chorgruppen, die sich in dieser Inszenierung überaus wirkungsvoll bewegten.
Viel wurde über Netrebkos erstmaligen Ausflug ins Wagnerfach geschrieben und die Diskussionen im Internet brachten Server regelrecht zum heißlaufen. Ist sie der Partie stimmlich gewachsen? Wie steht es um ihr Deutsch? Und kann sie sich mit Wagner etablieren? Natürlich waren die Netrebko und ihre samtige Stimme der Rolle gewachsen. Sie hat in den letzten Jahren an Klangvolumen zugelegt und auch das tiefe Register klingt nun prächtig-warm. Das Wagner-Deutsch ist perfekt einstudiert, fast überartikuliert, und zeigt die intensive Vorbereitung, doch auch stimmlich ist dies keine konventionelle Elsa. Netrebko geht die Rolle sehr veristisch an und scheut sich nicht, zugunsten des Ausdrucks auf Stimmschönheit zu verzichten. Ihre Elsa ist kein naives Dummchen, sondern voller Leidenschaft und Zweifel – bei Netrebkos packender Bühnenpräsenz eine mitreißende Darbietung; vereinzelte Unsicherheiten mögen dem Erwartungsdruck geschuldet sein.
Doch nicht nur die Rolle der Elsa, auch die Titelrolle wurde einem prominenten Debütanten anvertraut. Piotr Beczalas Lohengrin war dank strahlender Stimme und schönem Schmelz ein Ohrenschmaus. Er klang ungewohnt heroisch, wunderbar passend für diese Rolle. Das obere Register könnte von diesem heroischen Klang noch etwas mehr vertragen, aber zweifellos reiht sich Beczala in die Reihe großer Lohengrin-Interpreten der Gegenwart ein. Seine Stimme trug in den großen Szenen mühelos über Ensemble und Orchester hinweg, er bewahrte sich aber dennoch eine überaus charmante piano-Qualität, sodass besonders die Liebesszene im dritten Akt hervorragend gelang.
Der dritte Debütant machte Tomasz Konieczny als Telramund, eine Rolle, die ihm ebenfalls sehr gut zu liegen schien. Problemlos meisterte er die Höhen und die außerordentliche Dramatik; die Hinterlistigkeit seines Charakters konnte er großartig umsetzen und punktete mit seiner ausdifferenzierten Gestaltung.
Zu den Debütanten gesellte sich mit Evelyn Herlitzius auch eine Wagner-Veteranin. Ihre Ortrud klang zwar stimmlich etwas brüchig, jedoch hinreißend spannend und kraftvoll. Herlitzius' Vorzüge sind ihre Bühnenpräsenz und ein Schauspieltalent, das seinesgleichen sucht. Vom ersten Auftritt an fesselte sie mit einer Darbietung, bei der sie selbst durch kleinste Regungen eine unglaubliche Wirkung erzielte.
Als Heinrich der Vogler überzeugte Georg Zeppenfeld mit seinem noblen Bass und einer würdevollen Darbietung; voller Kraft und Elan wusste er Stimme und Schauspiel wirkungsvoll einzusetzen. Als Heerrufer punktete Derek Welton mit jugendlichen heroischem Bariton, der durchaus größeren Rollen gewachsen wäre.
Besonderer Höhepunkt war für mich der Beginn des zweiten Aktes, in dem Telramund und Ortrud ihre Rachepläne schmieden. Dieser war musikalisch und schauspielerisch überaus spannungsgeladen und mitreißend. Hier stellte Herlitzius ihre schauspielerischen Fähigkeiten unter Beweis und lehrte so manchem Zuschauer mit dem berühmten „Entweihte Götter“ das Fürchten, bevor sie die gutmütige Elsa unterwürfig um den Finger wickelte. Bei der Sächsischen Staatskapelle mit Christian Thielemann am Pult saß jeder Ton und bereits die sphärischen Streicherklänge der Ouvertüre zogen das Publikum in orchestralen Bann. Alles in allem ein begeisternder Abend, der auf weitere Wagner-Ausflüge der beiden Stars in den Hauptrollen hoffen lässt.