Lagen zwischen dem berüchtigten Tanzauftritt Ludwigs XIV. beim Ballet royal de la nuit und der offiziellen Krönung zum König im Juni 1654 in der Kathedrale zu Reims etwas über fünfzehn Monate, vergingen für mich lediglich knapp über zwei, um beide historischen Anlässe musikalisch aufbereitet ins Gedächtnis gerufen zu bekommen. Denn nach der Aufführung in Brüssel war es Sébastien Daucé vorbehalten, das diesmal ausgedehnte FEL!X-Originalklang-Festival der Kölner Philharmonie mit seiner Rekonstruktion der damaligen Inaugurationszeremonie Le sacre royal – zumindest in einem möglichen Ablauf – festlichst zu eröffnen.
Und wie zuvor in der belgischen Hauptstadt, rief Daucés Darbietung der nun in acht Abschnitte gegliederten Krönungsprozession mit Werken von Moulinié, Cavalli, d'Helfer, Boësset, Gobert, Veillot, de Lassus sowie vor allem anonymer Komponisten (u.a. aus den Manuskripten von Deslauriers, Philidor und Tours) höchste Bewunderung hervor. Vor die Klammer gezogen bedeutete das für den Klang Ensemble Correspondances', unterstützt durch die von Elisabeth Strake einstudierten, abendlich von ECs Sopran Caroline Bardot geleiteten Maîtrises des OpernKinderchors der Chorakademie am Konzerthaus Dortmund, dass es sowohl durch moosgrüne Frische gleich quellwasser-photosynthetisierender Kresse als auch französisch-gebundener Homogenität, Sehnigkeit und Formativität goldig-royaler Tanzkompanienklasse vollends begeisterte. Für den Ablauf gesprochen hieß es, dass die von Rosabel Huguet gemeinsam mit Daucé erdachten ständigen Wechsel von Instrumentalpositionen und Vokalstimmen zur Imitation der Kathedralenkulisse perfekt getimt, wie an einer Perlenschnur vollzogen wurden und das Gesamtbild mit Programm und Ausführung die innere wie äußere Dramaturgie exquisit herausstellte.
Jeder Abschnitt wurde durch protokollarischen Ausruf der Mädchen angekündigt, begonnen mit der „Ankunft des Königs in Reims“, zu der der Saal zunächst sein Licht losch, zwei Laternenträgerinnen unter dem Zeremonienwirbel der großen Militärtrommel Pere Olivés zum Bühnenrand gingen und die Musikerschar zusammen mit Daucé von den unteren Zuschauereingängen des Auditoriums schreitend unter Lumenzunahme und der Pavane pour le mariage de Louis XIII erlebnisversprechend einschritt. Zur „Prozession für die Königin, Mutter seiner Majestät, zu Ehren der Jungfrau“ erklangen mit je fünf Chorsolisten vor dem Orchester, Perrine Devillers' choralartigem, weichem Solo und der weiteren Stufe reinster Anrührigkeit mit dem beachtlich harmonie- und phrasierungtreffenden OpernKinderchor von einem Teil des Zuschauerdurchgangs zunächst Boëssets Anna mater matris, danach Mouliniés Beata Dei genitrix, sowie die anonymen Bekundungspsalmsprüche Virgo Dei genitrix und Tota plchra es in inspirierender, andächtiger, ehrenvoller Weise.
Mit dem „Eintritt des Königs in die Kathedrale“ sollte das erste volle Tutti des Orchesters auftönen, als mit dem Einmarsch der übrigen Chormitglieder auch die restlichen Bläser mit der feierlich-kraftvollen Pavane pour le mariage de Monsieur de Vandome auf die Bühne kamen. Sie ließen das Herz Liebhaber historischer Instrumente höher schlagen, gesellten sich zum warmen Streicherglanz aus Violinen, Altos und Tailles, Gambenconsort in allen Registern, Celli, Basse de violon, den colla-parte-Blockflöten (von Sopranino bis Bass), der Trommel und dem Continuo aus Cembalo, Orgel und Theorbe noch Dulzian, großer Bassdulzian, Fagott, Serpent, Pommer (später zwei Oboen und Tenoroboe), zwei Cornetti und zwei Tenorsackbuts. Jenes sorgte für noch elektrisierenderes Flair, als mich – nach Veillots beflügelder Doppelchormotette Sacris solemniis, dem religiös-meditativen Antiphon und tiefgründigen Psalm unter Scholaführung Bardots und Vojtech Semerads sowie dem sprudelnd-kontraststarken Jubilate Deo – bei der Pavane pour le mariage de Henry le Grand zur „Ankunft der heiligen Ampulle vor der Eidesablegung des Königs und der Segnung des Schwertes“ Gänsehaut durchfuhr.
Passend zur „Überreichung der Krone, des Zepters und der Hand der Gerechtigkeit“ entfaltete das Ensemble in de Lassus' O rex vivat! und Cavallis Dixit Dominus Dramatik, gewaltigeren, ehrfürchtigen Anschlag, genauso wie es in Du Monts In lectulo meo mit Caroline Weynants und Bardots Echo und dem Antiphon Gentem francorum (die Herrenstimmen fortan geleitet von Maxime Saïu) balsamierend liebreizende Huldigungen betrieb. Mit der „Taubenfreilassung und dem Te Deum“ sowie anschließender „Krönungsmesse – vivat rex!“ und dem Ausgang „Öffnet die Türen für Ludwig XIV., den König von Frankreich und Navarra“ mit Sequenzen von d'Helfer, Moulinié und gestisch-choreographischem Choral hoben sich selbst – erstmals im Verbund funkelnd, erhaben, salbungsmild und schmeichelnd – beide Ensembles völlig verdient und erlebniseinlösend in die überwältigenden, beweihräuchernden Lobgesangsspähren weltlicher Absolutheitsansprüche, die sie intonierten. Die Sehnsucht nach noch schnellerem Wiederhören ist riesig.