Die jeweils „neue Zeit“ wirft diesmal zum notwendigen Ende des Ausgehenden ihre Schatten in der Advents- und Festtagsperiode voraus auf das spezielle Musikfeier-Jubiläum zum 300. Jahrestag der Ernennung Johann Sebastian Bachs zum Leipziger Thomaskantor. Vox Luminis tat dies in Projektkombination mit dem Freiburger Barockorchester in besagt vorwegnehmender Weise mit Weihnachtsmusik von Bach und dessen direktem Amtsvorgänger Johann Kuhnau. Dafür bot sich – unerlässlich und somit fast schon ein wenig traditionsbegründend – die Gegenüberstellung der Weihnachts-Magnificats der beiden Komponisten an. Beginn des Konzertprogramms sollte allerdings die Kantate Uns ist ein Kind geboren sein, die vormals gar Bach im Werkverzeichnis als Nummer 142 fälschlich zugeschrieben worden war, heute allerdings mehrheitlich und in recht überzeugender Plausibilität Kuhnaus zu Klang gebrachtem geistigen Eigentum zum 25.12.1720 attestiert wird.

Freiburger Barockorchester
© Britt Schilling

Attestieren darf ich darin dem von Péter Barczi unter der Gesamtleitung von Vox Luminis-Gründer Lionel Meunier angeführten Freiburger Barockorchester eine wahrlich vor Enthusiasmus sprühende Verve, die neben den persönlich wunscherfüllenden, äußerst impulsiven, flotten Tempi wie im „Concerto“ oder dem festlich brennenden Choral zudem durch die Oboen und Blockflöten in einem christkindgleichen Gewande und Gewese von Luftigkeit drappiert war. Dazu arrangierten sich in übereinstimmendem Ab- und Mitzug die Vokalstimmen Vox Luminis', deren tänzerische Freude die erlösende Unbeschwertheit des Weihnachtswunders herrlich transportierte. So auch Bass Sebastian Myrus in seiner Arie voller liebender, klarer und phrasierter Dienlichkeit sowie Altus William Shelton in seinem Einsatz mit besonders vorzüglich singenden Blockflöten Isabel Lehmanns und Margret Görners, dessen in Prononcierung und Wärme liegende Leichtigkeits- und Faszinationsentfaltung jedes Mal aufs Neue verblüfft. Allein Raphael Höhn sollte – wie sein etwas enger geführter und dadurch ungenauerer Tenorkollege Raffaele Giordani in den Magnificats – leider ein kleiner Schwachpunkt im solistischen Hervortreten darstellen, wollte doch bei aller Beachtung des ensembleeigenen Rahmens das Volumen weder zu örtlichen Gegebenheiten noch der Balance mit selbst kleinstbesetzten Obligat- und Continuobegleitungen passen.

Wie es gestochen weich, in jeder Form – ob Tempo oder Balance mit Jasu Moisios Oboe und Continuo – mitgehend besser gestaltet ging, durfte Sopran Gwendoline Blondeel dann im „Et exultavit“ Kuhnaus Magnificat unter Beweis stellen, nachdem der Chor mit fünfstimmigem petit chœur für gesamtbildliche Ripienoeffekte das Werk mit laufenden Schritten eingeleitet hatte. Auch Mezzo Victoria Cassano gelang in ihrer minimal trockeneren Art eine bekannt ansprechende Umsetzung von ehrfürchtiger Demut, die gerade damit das Selige umso anziehender machte. Boten die Chöre des „Quia fecit“, „Fecit potentiam“ und später des weihegeschwängerten „Sicut locutus est“ den von Vox Luminis ausgefüllten Raum für Dynamik und kräftige Preisungen, bestachen die duettverslichen Einlassungen von Meunier und Blondeel sowie Perrine Devillers und Barnabás Hegyi mit flüssig-beschwingter, gut abgestimmter Stimmführung bei gleichsam hervorragend artikuliertem FBO. Das Tutti breitete schließlich zum finalen „Amen“ – Myrus zuvor in hellem Schein des sehr flinken „Gloria“-Dictums im Arienkonzert – seine ganze Pracht aus und erwies Kuhnau die spritzige wie würdige Ehre, die ihm heutzutage nicht immer so vollumfänglich entgegengebracht wird.

Weiter in diesem interpretatorischen Schema blieb Bachs Magnificat in Es-Dur mit den originalen Blockflötenstimmen und den weihnachtlichen „Laudes“; Gaben, die natürlich – licht, fundiert, liedlich-besinnlich, Zunge und Herz tippend oder mit Blondeels lieblich abgerundetem, stilistisch purem Strahlen im „Virga jesse“-Duett mit Myrus – wie gemacht waren für Vox Luminis. Als Eigenheit stach das im Vergleich zu anderen Künstlervisitenkarten extrem langsame, aus dem „Quia respexit“ hervorgehende Zeitmaß des „omnes generationes“ heraus, das sich so weich und wonnehaft darbot wie die Ausstrahlung Devillers'. Beglückten also die ansonsten kontrastierend zügigen Tempi der Klammersätze, taten dies dazwischen die diffizilen Clarinhöhen im eindrücklichen „Fecit potentiam“, Sheltons in aller Seichtigkeit verarbeitete Bestimmtheit mit erneut hinreißend phrasierten Blockflöten im „Esurientes“, die reine, marianisch-angelische Abordnung von Zsuzsi Tóth, Devillers und Cassano im „Suscepit Israel“ mit abgewechselter Solotrompete von Jaroslav Rouček und Hannes Rux sowie das rhythmisch grandiose „Gloria“.

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