Als Combattimento im Jahr 2013 das letzte Mal beim Valletta Baroque Festival zu Gast war, beschloss das Amsterdamer Ensemble die Erstausgabe der gerade neugegründeten Konzertreihe auf Malta. Genau zwölf Monate danach sollte die Gruppe mit dem Verlassen ihres Gründers Jan Willem de Vriend irgendwie aufhören zu existieren, doch verabredeten die Musiker, ohne vormaligen Leiter und die Orchesternamensbestandteile Consort Amsterdam weiterzumachen, vornehmlich Barockliteratur auf modernen Instrumenten in solistischer Besetzung aufzuspielen. Verschoben durch die Ausfälle während der Coronalockdowns, war Combattimento nun wieder eingeladen, erneut mit Sopran Claudia Patacca, die nach besagter Premiere dann 2014 mit dem Valletta Baroque Ensemble nochmals auf maltesischer Bühne stand, um neben Telemanns Oboenkonzert mit je zwei Ouvertüren und Kantaten des Komponistengiganten sowie dessen Freund und ruhmreichen Kollegen Händel hello again im programmlichen Anknüpfungsteil von unerwiderter Liebe und Hochzeit zu sagen.
Ein solches Hallo war Zauberin Armida nach der Flucht Rinaldos nicht vergönnt, wie Händels auf der im damaligen Rom nebst Ensemblenamen aufgreifende Bebilderung des Combattimento di Tancredi e Clorinda allgegenwärtigen Vorlage Torquato Tassos Epos beruhende Kantate Armida abbandonata erzählt. Sie war nämlich nach der historisch nachgelagerten, von der Gruppe als Einstieg überschwänglich, expressiv (besonders durch Sören Leupolds dominante Chittarrone), intonationsgenau und betonungsreich dargebotenen Ouvertürensuite zur Pastoraloper Il pastor fido an der Reihe. Dazu kam Patacca sowohl in klassischem, lilafarbenem Samtkleid mit Chiffonarmtüchern in Zusammenstellung Peter George d'Angelino Taps als auch in klassisch opernszenischer Dramaturgie David Prins' auf die Bretter des Teatru Manoel gestürmt, um mit ebenfalls zum Bühnenvorderen gerannter Konzertmeisterin Cynthia Freivogel ein interagierendes Eröffnungsrezitativ zu geben. So förderlich ihr divenhaftes Temperament der alchemistischen, menschlichen Männerschlingpflanze ohne Fehlschlagerfahrung und Resilienz für diese und die folgenden Rezitative voller dramatischer Emotionalität mit löblich vollem Körpereinsatz war, so sehr ging es in Form zu exaltierten Vibratos und übertriebenen Fortes Pataccas ansonsten warmbeheizten Soprans mit ihr in den Arien durch. Ein stilistisch-geschmacklicher Punkt, der allerdings deshalb nicht zu sehr ins Gewicht fiel, da alles Folgende zu sehr gefiel.
Das war zunächst Telemanns Oboenkonzert d-Moll, zu dessen tränenreichem Adagiokopf Armida Selbsttötung beging, doch Komponist und Combattimento sie mit mühelos finger-, klappen- und atemfertigem Solisten Bram Kreeftmeijer nach typisch wirkungsvollen, knackig-flotten Allegri zum pausenapplausabholenden Leben reanimierten. Zeigte sich Kreeftmeijer schon beim erweckten Aufhelfen als Mann an ihrer Seite, ging diese szenische Paarung in der Ouvertürensuite La Bizarre weiter, als Patacca als Antje-like zufrieden-kokettierende Backmamsell die Tortenböden vom hausmännlichen Gehilfen zu ihrem mit Deko-Sweets beladenen Küchentisch geliefert bekam. Und wie 2013, als Patacca selbstgemachte Pasta auf der Bühne zubereitet hatte, schichtete sie nun zu den launigen Combattimento-Klängen Telemanns bizarrer Suite eine Hochzeitstorte auf, die zur Weiberorden-Kantate stücklich ins Publikum gereicht wurde. So strömte zur „Courante“ Duft der Zitronenschale durch den Raum, spachtelte Patacca die sahnige Süßspeisenmasse zur countrymusicartigen oder kaffeehaus-ausgelassenen „Gavotte en rondeau“ und esprithaften „Branle“ auf den Teig, ruhte sie kurz gemütlich zur „Sarabande“ und ließ der „Fantaisie“in der Verzierung freien Lauf. Schließlich wurden bei den spritztülligen, weichen „Menuets“ und im dezent-witzigen „Rossignol“ letzte Kalorien elegant verteilt.
Und das war eben Telemanns Der Weiberorden, in dem Patacca, vernebelt von den Hormonen der Figur – Ehemann und noch ein Kind in Aussicht, was sie allerdings nicht davon abhielt, den Erzlautenisten mit Speck (zum Sauerkraut – das deutsche Klischee hielt sich unter verständigem Gelächter bei Telemann!) zu füttern –, enthusiastisch und resolut der Hausfrauenzukunft entgegenblickte. Um das Verrückte weiter aufzugreifen und bestimmt zur Freude des sonst mitunter selbst so vorgegangenen Telemanns, streuten Combattimento und Patacca zu Wiegenlied-“Popeia“ und derb-sausigem „Ei, wie würdet ihr nicht lachen“ noch zwei italienische Arien des Frühbarock und Barock sowie Marlene Dietrichs Chanson „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ ein. Zwei tolle Tage!
Die Pressereise (Reise- und Hotelkosten) von Jens Klier wurde vom Valletta Baroque Festival bezahlt.