Der Wochenbeginn markierte die Residenzeröffnung der Deutsche Kammerphilharmonie Bremen in Hamburg, diesmal noch in der Laeiszhalle, zusammen mit ihrem Partner Christian Tetzlaff, und der Beginn des Abends sollte den Maßstab für den Rest des Konzertes setzen: Unvermittelt und ohne weiteres Stimmen der Instrumente begannen die Musiker mit Mozarts Violinkonzert, bei dem Christian Tetzlaff auch den Anfangsteil, der eigentlich dem Orchester vorbehalten ist, mitspielte. Leicht und luftig setzte er dann die Töne des Soloparts, und auch das Orchester hatte sehr schnell ins Werk gefunden und bereitete ohne Anstrengung die musikalische Bühne für Tetzlaff. Die Routine in der Zusammenarbeit von Orchester und Solist war hier deutlich erkennbar; allen schien das Musizieren wie von selbst von der Hand zu gehen.
Im zweiten Satz legte man Wert auf eine sehr tänzerische, fast schon schnelle Darbietung, welcher ein sonst oft gehörter, sehr anmutiger Ansatz weichen musste. Nach kurzem Einhören wirkte diese Entscheidung jedoch sehr interessant und erfrischend. Dass die Musiker diese Agilität sehr begrüßten, merkte man deutlich an den Flöten, die ihre manchmal in Prominenz tretenden Melodien sehr erzählend formen konnten. Die Konzertmeisterin baute den Kontakt zu den anderen Musikern aus und schaffte so noch mehr Gemeinschaft im Zusammenspiel auf der Bühne. Durch seine Position im mittleren Halbkreis des Orchesters konnte Tetzlaff durch periodisches Hinwenden zu verschiedenen Instrumentengruppen gut daran teilhaben. Seine Phrasierung waren in diesem langsamen Satz nun perfekt gesetzt, nie zu viel Vibrato, nie zu viel Umfang in der Dynamikarbeit.
Das passte perfekt zu der Gesamtintention, die kleine Kammerbesetzung des Orchesters auch konsequent im Vortrag abzubilden. Man hätte wohl versuchen können, breiter zu spielen, größer zu wirken. Der Verzicht darauf aber schuf nur umso mehr Intimität, was die Besonderheit des zweiten Satzes des Konzertes unterstrich. Dazu gehörte auch der Verzicht Tetzlaffs auf effektvolles Spiel und Intonation nach festem Muster – was im dritten Satz wieder hohes Tempo bedeutete. Christian Tetzlaff spielte teilweise so rasant, dass er sich zu überschlagen schien. Höhere Risiken absoluter Präzision manchmal vorzuziehen aber macht die Musik zur Kunst, das konnte man hier eindrucksvoll erleben. Das Orchester ging das hohe Tempo wieder äußerst agil mit, doch die Solisten in den Registern ließen es sich nicht nehmen, die Einfachheit vieler Melodien betont herauszuarbeiten.
Als zweites stand Arnold Schönbergs Verklärte Nacht auf dem Programm, wofür Christian Tetzlaff sich zur Leitung in das Orchester einfügte. Dieses frühe Werk Schönbergs trägt noch enorm romantische Züge, die alle Musiker in dynamischen Nuancen mit viel Detailbewusstsein herausarbeiteten. Dies macht einen großen Teil das Charakters des ersten Satzes aus und vor allem die Celli malten die dunklen Farben auf vielfältige Weise; dramatische Abschläge wurden mit viel Körpereinsatz betont. Der Übergang in den tief angelegten Dur-Teil am Anfang des zweiten Satzes wurde wiederum sehr homogen und expressiv genommen und Tetzlaff interpretierte den solistischen Teil sehr weich und singend, fast schon mit traurigem Hintergrund. Die letzten beiden Sätze des Werkes jedoch schienen dem Orchester etwas lang zu werden; die Konzentration ließ etwas nach und der Gestaltungswille aus dem ersten Teil war nicht mehr so deutlich erkennbar. Dadurch verflachten einzelne Wendungen und Verläufe; nur die Celli schienen sich am Ende dagegen aufzubäumen und trugen viel zu perlenden Arpeggien bei.
Nach der Pause waren es dann die Hörner und Flöten, die im Anfangsteil des Beethoven'schen Violinkonzerts mit klaren Melodien auffielen. Gegenüber Christian Tetzlaff, der selbst schnellere Passagen am Anfang erstaunlich abgeklärt nahm, zeigte sich das Orchester nun, anders als im ersten Teil des Abends, sehr voluminös. Auch in ruhigeren Teilen wurde durch elegischen Strich viel Weite erzeugt; bedacht auf einen sehr ausgewogenen Frequenzumfang webten die Musiker den ruhigen Klangteppich zu Beginn. In diesem ersten Satz wurde deutlich, dass Tetzlaff Melodieabschnitte immer im Ganzen betrachtete und nicht so sehr auf die isolierte Gestaltung von Einzelnoten bedacht war. Dadurch wirkte die Zwiesprache der Geige mit den Pauken am Ende des ersten Satzes umso eindrucksvoller. Tetzlaff ließ ruhige Töne immer wieder versinken; ein ums andere mal ging er in die Knie und spielte mit viel Inbrunst. Im letzten Teil dann brachte er die vielen schnellen Linien mit viel Energie, aber auch Leichtigkeit, und ließ so die erforderliche hohe Konzentration eines solchen Spielniveaus vergessen, musizierte einfach nur.
Mit der Humoresque Nr. 5 von Jean Sibelius als Zugabe beschlossen die Künstler einen unterhaltsamen Abend, der von einem äußerst lebendig und menschlich agierenden Solisten geprägt war.