Die vier Werke für Violine und Klavier, die Christian Tetzlaff und Alexander Lonquich in ihrem Konzert im Pierre Boulez Saal aufführten, haben eines gemeinsam: In ihnen steht das dialogische Spiel im Zentrum. Wenn ein Geiger und ein Pianist gemeinsam im Duo spielen, dann treten Gegensätzlichkeiten hervor, die einander ergänzen: hier das Instrument, dessen Saiten meist so angestrichen werden, dass ein hochveredelter gesanglicher Ton erklingt, dort das Tasteninstrument, dessen Saiten stets durch Hämmer angeschlagen werden, um das Fundament der Musik zu bilden.

Christian Tetzlaff
© Giorgia Bertazzi

In Brahms’ Sonate für Violine und Klavier A-Dur, die den Abend eröffnete, stellt das Klavier das gesangliche Hauptthema vor, so als ob die beiden Musiker zeigen wollten, dass in der komponierten Realität die Rollen keineswegs festgelegt sind. Tetzlaff fand sich allmählich ein, und als er die Melodie des Akkordsatzes spielte, begann sich der Dialog der beiden wie ein Gespräch zweier miteinander vertrauter Menschen zu entfalten. Die beiden Musiker spürten der motivischen Entwicklung der drei Sätze gemeinsam nach und hoben die Stellen hervor, in denen Brahms die Violine sich dem Klavier annähern, wie er umgekehrt dazu das Klavier auch legato wie eine Geige singen lässt. Beiden gelang so eine glückliche Synthese, die vor allem ohne die geringste Übertreibung musiziert wurde.

Der erste Satz der f-Moll-Sonate Georges Enescus begann wie aus einer Schattenwelt im Unisono der beiden Instrumente. Im zweiten Thema glühte die Violine Tetzlaffs förmlich in höchsten Tönen. Doch auch an Lonquich waren gewaltige technische Anforderungen gestellt, die dieser mit der ihm ganz eigenen Eleganz bewältigte. Der Dialog der beiden Musiker kulminierte im ersten Satz in einem dreifachen Forte, bei dem ich fast befürchtete, dass die Instrumente Schaden davon trügen, so heftig war dieser dynamische Höhepunkt musiziert. Im zweiten Satz intonierten die beiden ein wehmütiges Wiegenlied im Charakter einer Doina voll anrührender Nostalgie. Im Übergang zum Finalsatz sinnierte Tetzlaff einsam über Teilstücke der Melodie des gerade verklungenen Satzes, bevor zwei Akkorde direkt in den dritten Satz überleiten. In ihrem Vortrag hoben Tetzlaff und Lonquich nun die folkloristischen Elemente hervor: Lonquich spielte wie am Zimbal. Tetzlaff entfachte geigerisches Feuer.

Weberns Vier Stücke breiten ein Kaleidoskop geigerischer Kunst aus, sowohl was Expressivität als auch Virtuosität betrifft. Große Intervallsprünge, häufige Tempowechsel und plötzliche Veränderungen der dynamischen Grade verlangten von Tetzlaff in Sekunden so viel Konzentration wie es zuvor für einen ganzen Satz erforderlich war. In dieser Aufführung waren sich Tetzlaff und Lonquich nicht immer einig. So ging der Geiger etwa im dritten Satz bis auf ein „kaum hörbar” zurück, während der Pianist leider deutlich lauter intonierte. Das sonst so gut aufeinander abgestimmte Duo trat hier auseinander.

Höhepunkt des Abends war die Aufführung der Violinsonate César Francks. Wie nach dem bisher Gehörten nicht anders zu erwarten, verzichteten die beiden Musiker auf Kraftmeierei, übermäßiges Schwelgen oder sentimentalisierend überbetonte Schwermut, sondern trugen die Sonate als musikalische Erzählung vor, die durch permanente Umgestaltung des eingangs exponierten Keimmotivs zusammengehalten ist. Im dritten Satz wurden die aus der Zelle entwickelten Themen ausgebrütet, damit sie im Finale endlich in ausgewachsener Gestalt hervortreten konnten.

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