Die Dependance der Oper Frankfurt, das Bockenheimer Depot, hat sich längst von der Experimentierbühne zu einer mit spannenden Produktionen gefüllten Spielstätte gewandelt, in der sowohl gestandene, international gefragte Sänger*innen als auch Mitglieder des Opernstudios und neue Ensemblemitglieder der Oper Frankfurt auftreten, sich ausprobieren und entwickeln können und ein breites Repertoire von Barockopern über modernen Werken bis hin zu zeitgenössischem Musiktheater aufführen.

Kateryna Kasper (Tytania) und Cameron Shahbazi (Oberon)
© Monika Rittershaus

Brigitte Fassbaender, die sich nach ihrer Weltkarriere als Sängerin bereits seit einigen Jahren der Regie widmet und mehrere Opern in Frankfurt inszeniert hat – Brittens Paul Bunyan im Depot, sowie Ariadne auf Naxos und Capriccio im Opernhaus – kehrt nun für eine weitere Britten-Oper zurück nach Frankfurt.

Ihre Inszenierung von Benjamin Brittens A Midsummer Night’s Dream lässt wenig von der englischen Renaissance Shakespeares anmuten; stattdessen verortet sie das Geschehen in einen fantastischen Wald auf einer erdfernen Welt. Der surreal verzauberte (Irr)Garten gleicht einer zeitgenössischen Kunstinstallation – wie in einem Diorama erstreckt sich darin der fremdartige, von Christoph Fischer gestaltete Zauberwald, mit Plastiksträuchern und Bäumen wie frisch aus dem 3D-Drucker, die sich zwischen Kunst und Kitsch bewegen.

Tamara Gura, Monika Buczkowska, Michael Porter und Danylo Matviienko
© Monika Rittershaus

Es ist ein Wald, in den man sich nicht willentlich begibt – zwischen den ebenso schönen wie zauberhaft giftigen Blumen und intrigierenden Feen lauern sowohl Gefahren als auch Verlockungen. Bei Shakespeare und Britten offenbart der Wald Abgründe und macht verborgene, unterbewusste Wünsche und Sehnsüchte sichtbar. Die verliebtmachende Blume ist dabei nur vordergründig Ursache und Grund für die Liebeswirren. Dieser Sommernachtstraum wirft Fragen nach wahren Emotionen und unterdrückten Gefühlen, Fantasie und Einbildung auf. Ebenso wie die Liebe offenbart der Wald hier seine Mysterien und dunklen Geheimnisse.

Frank Albrecht (Puck)
© Monika Rittershaus

Die aufwendig gestalteten Kostüme von Anna-Sophie Lienbacher unterstreichen die fremdartigen, surrealen Sphären der Feen zusätzlich. Besonders die Kostüme der Kinder, mit den nach außen gekehrten Adern und Venen des Nervensystems erinnern an die berühmten Handschuhe der surrealistischen Künstlerin Meret Oppenheim. Spinnwebenartig bedeckt das rote Adergeflecht ihre Körper und die Nervenstränge hängen wie Ketten an ihnen herunter. Bei Oberon und Tytania beispielsweise wird diese Idee weitergesponnen und so tragen sie lange Kleider mit roten Tüllstreifen, aufwendig hochgestecktes Haar und starkes Makeup, das ihre Schönheit, aber auch Andersartigkeit unterstreicht. So scheinen sie ihr Innerstes nach außen zu kehren wie auch das verzaubernde Kraut neue Wahrheiten zu Tage trägt.

Danylo Matviienko, Michael Porter, Tamara Gura und Monika Buczkowska
© Monika Rittershaus

Die Besetzung der Produktion, eine illustre Mischung aus etablierten Sänger*innen des Frankfurter Ensembles und spannenden Gastsolist*innen, bewies ein hohes Maß an Hingabe, Spielfreude und stimmlicher Qualität. Kateryna Kasper als Tytania mit klarer, agiler Sopranstimme bot mühelose Koloraturen dar und zusammen mit der geheimnisvoll unnahbar klingenden Stimme des Countertenors Cameron Shahbazi als Oberon, formten sie ein stimmlich und szenisch beeindruckendes Paar, das nicht von dieser Welt zu sein schien. Auch Tamara Gura als Hermia beeindruckte mit großer, dramatisch gefärbter Stimme, während Michael Porter als Lysander mit tenoralem Schmelz aufwartende und Barnaby Rea als überaus humorverständiger Bottom viel Bühnenpräsenz versprühte.

Jonathan Macker, Gabriel Rollinson, Barnaby Rea, Brian M. Moore, Theo Lebow und Magnús Baldvinsson
© Monika Rittershaus

Fassbaender arbeitet eine detaillierte Personenregie aus, die jeder der Gruppen eigene Charakterzüge verlieh – von den extraterrestrischen Feen, über die naiv, impulsiven Liebespaare bis hin zu den kernigen, humoristisch gezeichneten Handwerkern. Auch dem stimmlich herausragenden Kinderchor der Oper Frankfurt verhalf sie zu einer ganz eigenen Bewegungssprache und widmete sich vielen Details. So wurde die wundersame Entdeckung einer den Kindern fremde Erfindung, eines Stuhls, den sie sogleich reihum ausprobierten, zu einer charmant witzigen Szene.

Frank Albrecht (Puck)
© Monika Rittershaus

Dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter Leitung von Geoffrey Paterson, der mit dieser Produktion sein Frankfurt-Debut gibt, hätte man über einige Teile mehr Präsenz gewünscht. Nicht zuletzt war dies der Platzierung des Orchesters an der rechten Seite des Depots geschuldet und so ertönte es oft zu distanziert, obwohl es durchaus Gespür für die geheimnisvolle und spannende Partitur Brittens bewies. Paterson und das Orchester woben einen differenzierten Klangteppich aus moderner Dissonanz und einer eklektischen Fabelwelt. Mit eleganten, kontrastreichen Wechselspielen schufen sie einen Dialog der hellen Klänge der Feen mit Harfen, Celesta und Cembalo und den tiefen Blech- und Holzbäsern der Handwerker.

Michael Moore (Flute) und Barnaby Rea (Bottom)
© Monika Rittershaus

Nachdem der Zauber seine Wirkung versagt, alle Liebenden wieder ihren „richtigen” Partner*innen zugeführt werden ist klar, dass auch in Fassbaenders außerirdisch surrealer Inszenierung – zwischen erfüllter und unerfüllter Liebe, Ver- und Entzauberung – so viele feine Zwischentöne erklingen, wie sie in Shakespeares Komödie geschrieben und in Brittens Oper vertont wurden. Ein Zauber, der lang nachwirkt...

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