Bevor Vox Luminis und das Freiburger Barockorchester im März auf große Bach-Matthäuspassionstour gehen, begannen sie die christliche Leidenszeit mit seltenerer barocker Trauermusik, für die das Instrumentalensemble mit kleinerer Besetzung regelmäßig unter vorgesehenem Namen Freiburger BarockConsort in künstlerisch öffentliche Erscheinung tritt. Gemeinsam in der strukturellen Projektpartnerschaft mit Lionel Meuniers belgischer Vokalgruppe tat es das 2020 – damals premierentechnisch – beispielsweise mit Christoph Bernhards Motette Herr, nun lässest du deinen Diener und Heinrich Ignaz Franz Bibers Requiem. Diese wurden im jetzig wiederholt wiedergegebenen Live-Programm im Muziekgebouw Eindhoven ergänzt um das mittlerweile in seiner Rarität erheblich populärer gemachte Stabat Mater des derart schillernden Agostino Steffani, dass dessen gerne aufgegriffene Kurzbiografie als Berater und Gesandter von Kaisern und Päpsten, Hofkapellmeister in München und Hannover, Musikmeister in Brüssel, Politiker in Düsseldorf und Weihbischof von Münster und Paderborn das Bild dieses Mannes nur erahnen lässt.

Freiburger BarockConsort
© Valentin Behringer

Klarste Konturen verlieh dafür im Gesamtverlauf das von Geigerin Veronika Skuplik angeführte Instrumentalconsort mit Violinen, auf solchen Corpus bei Christa Kittel aufgezogenen Bratschensaiten für die höhere Violastimme, Werner Sallers Viola Pomposa für die tiefere Tenorlage, Hille Perls Gambe, James Munros Violone (Grande basse de violon), Lee Santanas Chitarrone und Torsten Johann an der Truhenorgel, dem der Vokalpartner mit seinem individuellen Gestus der ohne Drücken manifesten Klangpracht und vor allem des empathisch-demütigen, stilkontrollierten Loslassens begegnete. Wie natürlich nicht sinnfälliger artikuliert in Bernhards historisch mustergebenden Motette als chronologischer Einstieg in diese von Frömmigkeit beseelte Atmosphäre warmen Beistands und meditativen Trostgedankens. Die darin nach typisch anrühriger Sinfonia und zwischen den umarmenden Titelcori enthaltenen verslichen Solokonzerte mit jeweils abschließendem „Nun froh die Augen zugedrücket“-Refrain steuerten aus dem zehnköpfigen Gesangstutti die ersten Soprane Zsuzsi Tóth und Stefanie True in deutlich leuchtender, Altus Jan Kullmann und Tenor Philippe Froeliger in lieblich-weicher, rhythmisch-beweglicher sowie Bass Sebastian Myrus in sonorer, wendig-gewandter Zuversicht bei. Sie umhüllte einen nochmals verstärkt in der Zugabe, als die drei Sackbuts den Chor aufstockten.

Vox Luminis
© Foppe Schut

Die Barockposaunen waren schließlich in guter Salzburger Tradition des Seicento in Bibers Requiem in f-Moll stammbesetzt und sollten das weihevolle, schreitende Geleit Vox Luminis' und des FBC sakral-festlich bereichern. Ein feierliches Geleit, das selbstverständlich mit textlichen Artikulations- und Dynamikeffekten affektisierend bedacht wurde, theatralischere Einschläge bereithielt und in sentimental-einfühlsamer Art die Kerzen entfachte für das symbolische Andenken an das Abschiednehmen und gläubige Bewahren der ins Licht aufsteigenden Seele im leidherausgeforderten Herzen. Beispielhaft neben den zahlreichen Favoriteinsätzen, in denen sich unter anderem mit besonderer Ausdrucksgestaltung und Stimmlichkeit True, Viola Blache, Vojtech Semerád, Myrus und Meunier hervortaten, seien für diesen durchfahrenden Eindruck die kontraststarken Dies irae und Confutatis, das Rex tremendae und flehend-umgreifliche Lacrimosa der Dies irae-Sequentia sowie die vitalen, organischen Fugenkonzerte des Offertoriums und das süßliche Benedictus erwähnt.

Nicht nur durch je eine Tenorstimme mehr (vormals abgewechselte Olivier Berten und Raffaele Giordani nun zusammen in Chor II mit zusätzlichem Jacob Lawrence in Chor I), sondern auch durch Vokallinien und Harmonien bestimmte Gelegenheit bogengeführter Phrasierung vernehmbar fülliger geriet zu guter programmatischer Letzt Steffanis Werk. Obwohl Tóths Solo ein kleinerer Wackelpunkt und manches Terzett, Duett oder Meuniers sanftes Solo im Vergleich zu vorheriger Balancierung am Text, sonstigen Soli und einheitlicheren Gesamteindrucks der eindringlicheren, dramatischeren Vorbringensweise doch ein wenig blasser waren, offenbarte sich mit der Zugewandtheit und Ansprache – in nur ausgewählter Aufzählung – der Soprane (vor allem auch Victoria Cassano und Blache), Semeráds und Giordanis der passionierte Klageblick. Er wurde im finalen „Quando corpus morietur“ mit Generalpausen zum atemversiegenden und Tränenlauf steigernden Effekt eben zur tröstenden Erlösung des „fac, ut animae donetur paradisi gloria, Amen“ zum Ende der Zeit und der Hoffnung für die Ewigkeit, in die Vox Luminis und das Freiburger BarockConsort also vertraut, vertrauend und gefallend einleiteten.

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