Das Belcea Quartet wird zu Beethovens 250. Geburtstag in dieser Spielzeit im Pierre Boulez Saal die 16 Quartette des Jubilars gleich zweimal als Gesamt-Zyklus spielen. Schon nach dem ersten Abend dürfte feststehen, dass diesem Geschenk an den Komponisten sich wenig anderes gleichberechtigt an die Seite stellen lässt.

Belcea Quartet
© Marco Borggreve

Das Ensemble begann das Konzert mit Beethovens Quartett in D-Dur (Op.18, Nr.3). Schon die ersten Takten machten ganz deutlich, dass es den exzellenten, mit Beethoven bestens vertrauten Musikern darum ging, ihr Publikum davon zu überzeugen, dass Beethovens Frühwerk keine bloße Vorbereitung seines mittleren und späten Schaffens ist. Die mehrdeutige Anlage des Themas wurde mit aller Sorgfalt musizierend ausgeleuchtet und die vom Komponisten verkomplizierte Modulation von D-Dur nach A-Dur als spannende Suche nachgezeichnet. Das Seitenthema selbst erklang stilsicher als synkopierter Choralsatz. Imitatorische Stimmführung erklang nie gelehrt, sondern als galante Eigenart, einen Dialog zu führen. Den Finalsatz ließ das Ensemble als perpetuum mobile abschnurren, so dass es den Zuhören schlicht den Atem verschlug.

In seinem letzten Streichquartett F-Dur (Op.135) blickt der Komponist auf sein Frühschaffen zurück. Dementsprechend legte das Belcea Quartet einen ganz anderen Ton auf. Das Ensemble ließ das, was in der durchbrochenen Arbeit des D-Dur-Quartetts noch als Aufhebung einer Differenz von Subjekt und Objekt kompositorisch gelungen war und kongenial musiziert wurde, nun auseinandertreten, weil es letztlich unvereinbar ist. Sehr überzeugend und doch ganz unaufdringlich ließen die Musiker die Klassizität des Kopfsatzes in Fragmente zerbersten. Den zweite Satz brachte Beethoven ganz traditionell in die Form von Scherzo und Trio. Doch das Quartett spielte den Satz zu Recht wie ein in sich leeres Gehäuse. Spätestens wenn das Violoncello 48 Mal ein eintaktiges Motiv wie besessen zu repetieren hat, war allen im Saal klar, dass die Form hier gleichsam wie aus einer Haft entlassen wurde, in das Beethoven sie gepresst hatte. Einen ganz anderen Ton traf das Belcea Quartet im Lento assai e cantante tranquillo, indem sie den langsamen Satz, wie von Beethoven gewünscht, als „Friedensgesang und süßen Ruhegesang“ spielten. Das Finale ließen sie mit dem dreitönigen Frage-Motiv beginnen, das im Laufe des Satzes als Essenz des Ganzen sich entpuppte. So erhellend wie überzeugend trugen die Musiker am Ende das im Pizzicato zu spielende Seitenthema-Kinderlied nicht zur Koketterie verzogen, sondern schillernd naiv, mit Anmut, vor.

Wer nun dachte, dass derlei Quartettkunst nicht mehr zu übertreffen wäre, wurde im zweiten Teil des Konzertes eines Besseren belehrt. Ich habe das Belcea Quartet genau mit diesem e-Moll-Quartett (Op.59, Nr.2) vor knapp 10 Jahren zu bewundern gelernt. Der verwickelte Kopfsatz, den Beethovens Zeitgenossen als das „Flickwerk eines Wahnsinnigen“ beargwöhnten, wurde an diesem Abend zu einem in sich stimmigen Gespräch der vier Instrumente: rhythmische Pointen ausgekostet wurden, die wenigen kantablen Phrasen zum Blühen gebracht. Den zweiten Satz musizierte das Quartett feierlich und steigerte den Schönklang geradezu ins Unübertreffliche. Das so andächtig wie schlichte Gebet war innerhalb der Perlen dieses Abends wohl die am meisten Funkelnde. Der dritte Satz mit dem Thème russe im Trio gelang als Intermezzo vor dem wie entfesselt gespielten vorwärtstreibenden Finale, das nun wirklich alle von den Sitzen riss.

Was für ein Auftakt!

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