Es gibt Dirigenten und Dirigentinnen, die scheinen, die Musik körperlich auszudrücken, fast wie ein Tänzer oder eine Tänzerin auf dem Podest. Karina Canellakis gehört nicht dazu, und das im besten Sinne. In der Kölner Philharmonie am Sonntag dirigierte sie das London Philharmonic Orchestra mit ökonomischer Klarheit und Präzision, die es erlaubte, die kontrastreiche Musik für sich selbst sprechen zu lassen.

Karina Canellakis
© Mathias Bothor

Und so viel hat sie zu sagen! Das ist wohl mit Werken von Beethoven zu erwarten, dessen Coriolan-Ouvertüre und Symphonie Nr. 3 „Eroica” zu hören waren. Dass Erwartungen erfüllt, oder sogar übertroffen werden, ist aber was ganz anders. Unter Canellakis gab das Orchester eine höchst nuancierte Aufführung, die von einer klaren Vision geprägt war.

Mit nie großspurigen aber schon selbstbewussten, eckigen Armbewegungen brachte Canellakis eine kantige Leichtigkeit in die Ouvertüre. Diesem Gefühl standen fließende lyrische Passagen in den Streichern gegenüber, was insgesamt eine aufregende Spannung aus Kontrasten erzeugte. Beethoven hat die Ouvertüre 1807 für das gleichnamige Trauerspiel von Heinrich Joseph von Collins komponiert. Er brachte den zentralen Konflikt thematisch in die Musik ein und offenbarte damit ein neues Verständnis für das dramatische Potenzial einer solchen Bühnenmusik.

Die Ouvertüre war ein perfekter Vorgeschmack auf die Eroica, die die zweite Hälfte des Programms ausmachte. Betrachtet als die erste Romantische Symphonie, die die Grenzen der Gattung sprengte, komponierte Beethoven sie 1803. Der Legende nach hat der Komponist sie ursprünglich Napoleon gewidmet, jedoch seine Erwähnung in der Partitur später gestrichen und sie einfach mit „Sinfonia eroica” betitelt, „komponiert, um die Erinnerung an einen großen Mann zu feiern.”

In der Aufführung des LPO war dieser Mann ein Mann auf einer Mission, mit einem Ziel, auf das er durch alle vier Sätze energisch hinsteuerte. Von den ersten flotten Öffnungsakkorden wurde das Stück von einem sehr lebhaften Momentum betrieben, das auch im zweiten Satz, dem Marcia funebre, bewahrt wurde. Es war ein Trauermarsch, der durchaus majestätisch war, ohne dabei schwer zu sein. Feierlich, ohne zu viel in Pathos überzuschwappen.

Canellakis’ detailorientiertes Dirigat hob subtile Tempi-Wechsel und Rubato-Phrasen hervor. Mit breiten Gesten, als ob sie Butter auf eine ganze Tischplatte aufstreichen würde, leitete sie das Orchester in geschmeidigen Passagen, die mit dynamischen Kontrasten anschwellten, jede ein kleiner dramatischer Bogen, der aber niemals vom vorwärtstreibenden Gefühl zurückhielt. In ein paar Momenten von Überschwang warf sie eine Hand hoch in die Luft als das Orchester freudenvoll aufblühte, andere Male bewegte sie nur die Spitze des Taktstocks, worauf das LPO mit einer spitzigen, bisweilen humorvoll rhythmischen Genauigkeit antwortete.

Alles kulminierte im letzten Satz, der zügig zur fulminanten Coda überging. Manchmal finde ich, dass die letzten, sich wiederholenden Akkorde nicht besonders überzeugend klingen, eher wie ein unsicherer nachträglicher Einfall. Hier waren sie jedoch das organische Ende und Ziel von allem, was vorher gespielt wurde – ein triumphierendes Ankommen!

Zwischen den Beethoven-Werken kam noch ein kontrastreiches Werk: Prokofjews Klavierkonzert Nr. 3, gespielt von Daniil Trifonov. 1921 uraufgeführt, ist das Klavierkonzert wohl Prokofjews’ bekannteste, ein Zusammenspiel von verschiedenen Stimmungen, Motiven und Formen, alles vereint durch extrem schwierige Klaviertechnik und ein melodisches Hin und Her zwischen Solisten und Orchester.

Trifonov brillierte in den äußert unterschiedlichen Stimmungen, die er durch eine reiche Palette an Tastaturberührungen wachrief. Manchmal spielte er leichtfüßig und quicklebendig, zum Beispiel am Anfang des ersten Satzes, und verlieh dabei der Melodie einen zwinkernden humorvollen Esprit. Im zweiten Satz, ein Thema mit Variationen, zeigte er eine reife Empfindsamkeit. Teilweise aufrichtig, zärtlich, ätherisch und rasend, glitt er nahtlos zwischen den musikalischen Launen. Die Momente, in denen er unbegleitet vom Orchester spielte, waren intim und gefühlvoll, als ob er vor sich hin sänge.

Dank Canellekis’ Aufmerksamkeit auf das Wechselspiel zwischen Klavier und Ensemble war das Orchester ein starkes Pendant zu Trifonov. Ein Höhepunkt war der Anfang des zweiten Satzes, als das Orchester eine schlaue Miene etablierte, als ob es eine metaphorische Augenbraue hochzöge. Jedoch kam es an ein paar furiosen Stellen vor, in denen das LPO die Melodie hatte und Trifonovs Spielen vor allem atmosphärischer Farbe dienen sollte, dass das Klavier übertönt wurde.

Es war ein musikalisch erfolgreicher Abend, der Genauigkeit und Kontrast zelebrierte. Sowohl die Zugabe von Trifonov (Prokofjews Andante sognando von der Klaviersonate Nr. 8) als auch die vom Orchester (Beethovens Die Geschöpfe des Prometheus) waren wohlverdient.

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