Das Belcea Quartet, das zu den weltbesten Ensembles seiner Art zählt, spielt in dieser Saison den Zyklus der insgesamt 17 Quartette Beethovens gleich zweimal im Pierre Boulez Saal. Beim ersten Mal kombinieren die Belceas je ein frühes, ein mittleres und ein spätes Quartett, im Mai spielen sie den Zyklus chronologisch.
Eröffnet wurde das dritte Konzert des ersten Zyklus mit dem A-Dur-Quartett aus Op.18. Die vier Musiker/innen ließen es offen, ob das Hauptthema des Kopfsatzes mit dem vollen Takt oder auftaktig beginnt; und mit diesem Scharfsinn, die Vielzahl von getrennten Merkmalen mit Witz in Beziehung zueinander zu setzen, ging diese geistvolle Aufführung weiter. Alles war ineinander verwoben, nichts bloße Überleitung. Das galante Menuett atmete Mozartschen, das etwas robustere Trio dagegen Haydnschen Geist, so dass nostalgische Töne hörbar wurden. In der Variationenfolge verfolgte das Quartett Beethovens freie Art, Neues aus dem Thema zu schaffen, statt es nur mit Figurationen immer schwerer zu beladen. Erstmals war zu bewundern, was am ganzen Abend immer wieder hervorstach: die feine Kunst, in Stimmpaaren Dialoge zu führen! Die Coda wurde als Besinnung und Abschiednehmen vom Thema zelebriert. Jedes Instrument trug es noch eimal auf seine Weise vor. Das Finale wurde sehr überzeugend entspannt und unangestrengt musiziert.
Mit dem dritten Rasumowsky-Quartett folgte ein Schlussstück; denn mit ihm beschloss Beethoven seine Trias Op.59. Das C-Dur-Quartett ist vermutlich das virtuoseste Quartett der Musikgeschichte, in dem das Quartett zu einem Miniatur-Orchester anwächst. Eröffnet wird das Werk durch eine Introduktion, die das Belcea Quartet sehr gewichtig nahm und im „Noch-Nicht“ vor aller Entfaltung in der Schwebe hielt. Darauf folgte ein auffallend leicht musizierter, hochvirtuoser Sonatensatz, in dem Corina Belcea immer wieder als Primgeigerin mit Solokadenzen hervortreten durfte. Wie gut diese vier Musiker/innen aufeinander eingespielt sind, wurde im balladesken zweiten Satz deutlich, wo jedes Instrument eben noch die Melodie führte, dann im Dialog kommentierte oder begleitend zurücktrat. Im folgenden Menuett blickten die Vier auf die höfisch-elegante Rokokowelt zurück. Das Finale spielten die Belceas mit großer Überzeugungskraft als einen brillanten Sonatensatz, der sich ab und an vor lauter Spielfreude wie eine Fuge gebärdete. Sie realisierten, Beethovens aberwitziges Tempo befolgend, ein wirbelndes perpetuum mobile, das den gelehrten Stil als Leerlauf ironisierte und reagierten dabei auf Beethovens mitunter wider jede Konvention auf je zwei Instrumente verteilte und parallele Stimmführung in Oktaven.
Nach der Pause erklang mit demOp.127 eines der Schwergewichte des späten Beethoven. Der Komponist wollte das Werk seines „Gesanges“ wegen „allem übrigen vorgezogen“ haben. Eröffnet wird das Quartett durch eine Maestoso-Introduktion, die zwar noch zweimal später wiederkehrt, dann aber zugunsten der kantablen Themen zurücktritt. Die so intelligente wie musikalisch ausgefeilte Darbietung der Belceas ließ im thematischen Reichtum der Exposition eine Vielfalt an Beziehungen entdecken und etwa das Seitenthema wirklich als Moll-Variante hören. Höhepunkt des ganzen Abends war aber wohl doch das Adagio. Das Thema der Variationen nahmen die vier Musiker/innen, wie eine Vorstudie Wagners, als unendliche Melodie, in der jede Durchgangsnote beredt ist. Dabei ließen sie in der als Dialog gestalteten zweiten Variation kapriziös-tänzerische Elemente zu Gehör kommen. In der dritten legten sie die Essenz des Themas frei, indem sie es auf seine Gerüsttöne reduzierten. Das alles wurde mit Hingabe und Ruhe musiziert, die das Publikum mit größter Aufmerksamkeit dankte.
Das konzentriert vorgetragene Scherzo begann wie eine Fugenexposition, in der dem Dux der Comes in Umkehrung antwortete. Im Trio dagegen erklang ein derber Tanz. Das Finale gestaltete Beethoven zwar wesentlich konventioneller als die vorigen drei Sätze, aber es wurde vom Belcea Quartet keineswegs leichter genommen. Mit größter Konzentration fassten sie die Coda überzeugend nicht nur als heiteren Kehraussatz auf, sondern als Zusammenfassung des ganzen Werkes. Ein Teilstück des Themas hellten sie hymnisch auf und ließen die letzten Takte dann wie in die Ewigkeit ausstrahlen.