500 Jahre Bayerisches Staatsorchester: ein Ereignis, das zu Recht mit viel Klangjubel gefeiert wird. Und Zubin Mehta, inzwischen 86 Jahre alt und hochgeehrter Generalmusikdirektor der Staatsoper von 1998 bis 2006, kehrt erneut an seine Wirkungsstätte zurück und eröffnet im Jubiläumsjahr die Konzertreihe mit Vorgängern des amtierenden musikalischen Chefs. Als er auf dem Podium erscheint, mit vorsichtig tastenden Schritten und stützendem Stock, brandet frenetischer Applaus auf sowie Bravi von Publikum und Orchester bereits vor dem ersten Ton; seine Ära, sein musikalisches Wirken in München sind dort noch immer hoch geschätzt. Und es ist bewundernswert, wie er durchaus kräftezehrende Werke ins Programm aufnimmt. Dass er von einem eleganten Holzstuhl mit hoher Lehne aus dirigierte, war eine durchaus vernünftige Selbsteinschätzung.

Zubin Mehta
© Wilfried Hösl

Drei musikalische Präsente gönnt sich die Staatsoper zu diesem Jubiläum; das erste, Brett Deans Nocturnes and Night Rides, war bereits im Januar aufgeschnürt worden. Vom 1974 in Heraklion auf Kreta geborenen Minas Borboudakis, der in München und Hamburg Musik studierte und bereits mehrfach ausgezeichnet wurde (so mit dem Rodion Shchedrin-Kammermusikpreis, dem Bayerischen Kunstförderpreis und dem Förderpreis Musik der Stadt München), stand eine weitere Uraufführung am Beginn des Konzerts.

Apollon, der Gott des Lichts, der Reinheit und der schönen Künste, hatte Borboudakis inspiriert; seit 1972 schmückt er als steinerne Gestalt in einer Figurengruppe das Giebelfeld der Hauptfassade der Staatsoper. Apollinische Eigenschaften passen gut zu festlicher Stimmung, wären alleine doch einseitig. So kam Dionysos, Gottheit von Ekstase, Fruchtbarkeit und Wahnsinn, als Gegenpol in Apollon et Dionysos ins Spiel; eröffneten rhythmisch pulsierende Tuttischläge in dionysischem Rausch das Werk. Borboudakis’ Musiksprache, zwischen Mikrotonalität und Multidimensionalität angesiedelt, bedient sich bei Schleiftönen, schrillen Motivfetzen; erschließt sich nicht einfach bei einmaligem Hören.

Ein wenig ruhiger der apollinische Abschnitt, der mehr legato, in glitzernden Streicherlagen und einem Zwiegesang von Oboe und Trompete von deutlicher Ordnung gekennzeichnet ist. Schließlich bildet ein sich immer schneller drehender Wirbel eine Art von Synthese der beiden Kosmen; der im Rhythmischen immer noch ekstatische Schluss kann Borboudakis’ Sympathie für Dionysos nicht verhehlen. Ob die opulente Instrumentierung – allein fünf Musiker an zwei Dutzend Schlagwerken – bei elf Minuten Spielzeit etwas dionysisch übertrieben sein könnte, mag dahingestellt bleiben.

Vilde Frang und Zubin Mehta
© Wilfried Hösl

Mit der jungen norwegischen Geigerin Vilde Frang stand dann eine international gefragte Starsolistin auf dem Podium für Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert e-Moll, begann das leidenschaftliche Allegro molto ohne Umschweife sehr energiegeladen, in fast barscher Agogik. Wunderbar der Übergang zum zweiten Thema, das die Holzbläser in großer Ruhe anstimmten; hier kostete Frang wohlig die schlichte Harmonik und versonnene Wärme dieser überaus romantischen Melodie aus, bis zur virtuosen Kadenz, in der sie versunken mit effektvollen Doppelgriffen und atemberaubenden hohen, fast unhörbaren Flageolett-Tönen beeindruckte. Im Andante fand sie die zügige Gangart, die weit ausgesponnene Weise in empfindungsvoller Seligkeit singen zu lassen. Beim Finalsatz glänzte in ihrem Ton ein koboldhafter Wechsel zwischen verträumter Poesie und funkelnden Eskapaden der Solovioline, die sogar dem dezent begleitenden Zubin Mehta ein schwelgendes Lächeln abverlangte. Nach so viel Süße tat der herbe Anklang in der Zugabe eines norwegischen Volkslieds wohl, ein wunderbares Lied vom Tanzen, Toben und Träumen: ohne Worte.

Imposant und doch etwas holzschnittartig geriet Anton Bruckners Siebte Symphonie unter den Händen von Zubin Mehta; dabei waren Temporelationen und formale Übersicht in sich stimmig. Bereits im Hauptthema des Allegro moderato zeigte das Staatsorchester seine vorbildliche Klangkultur. Mehta ließ den Musikern viel Freiheit, lenkte den schwärmerischen gesanglichen Fluss, ohne ihn zu begrenzen. Gerade in den vieltaktigen Melodiebögen wurden manche riesige Crescendi zu schnell durchlaufen, auch Diminuendi nicht genügend vorbereitet. Die dreimalige Klimax im feierlichen zweiten Satz erreichte schon beim ersten Anlauf die Stärke, auf der nur noch der Beckenschlag Platz gehabt hätte. Packendes Tosen und fast spukhafte Geschäftigkeit im Scherzo, mit schönen Details vor allem in den Bläsern, die den merkwürdigen Tanzcharakter vielschichtiger erklingen ließen. Und majestätischer Jubel im Heldenthema des Schlusssatzes, der nur innehielt in der stillen Andacht des Blechbläser-Chorals. Verdient Standing Ovations für das jubilierende Staatsorchester und eine phänomenale Dirigenten-Persönlichkeit!

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