Was zeichnet einen guten Solisten aus? Zugegeben, die Formel – vorausgesetzt sie existiert überhaupt – ist kaum eindeutig oder garantiert. Vermutlich beruht sie auf solider Technik und Ideenreichtum, doch gehört dazu auch ein hohes Maß an Bühnensicherheit, ein gewisses Geschick, im Rampenlicht zu stehen und gleichzeitig im Einklang mit den anderen Musikern zu spielen. Ob dieses Selbstvertrauen nun erworben ist oder nicht, die Zeichen sind unübersehbar und greifbar. Und im Falle des britischen Posaunisten Kris Garfitt werden diese Anzeichen sofort deutlich, sobald man die Gelegenheit hat, ihn zu sehen und zu hören – dann ist Garfitt in seinem Element, sein Instrument reagiert auf jede seiner Bewegungen und nimmt die Einsätze auf wie ein alter Freund.
Da ist es kein Wunder, dass ein solches Talent prompt Früchte trägt. Garfitt, gerade 30 geworden, nahm in der Kategorie Posaune an der diesjährigen Ausrichtung des Internationalen Musikwettbewerbs der ARD teil, einem der größten Musikwettbewerbe Deutschlands, der jährlich in München stattfindet. Organisator ist der Bayerische Rundfunk, und der Wettbewerb kann auf eine lange und glanzvolle Geschichte zurückblicken, in der er vielversprechende junge Künstler ins Rampenlicht brachte und Anfangspunkt ihrer brillanten Karriere war. Die jährlich wechselnden Kategorien umfassen Gesang, Blasinstrumente, Streicher, Schlagwerk, Klavier und Kammerensembles, was den ARD-Wettbewerb zu einem der breitgefächertsten Wettbewerbe Europas macht. Gewinner in vergangenen Jahren waren Künstler wie Mitsuko Uchida, Heinz Holliger, Francisco Araiza, Thomas Quasthoff, Christoph Eschenbach und Jessye Norman.
Man kann sich nur vorstellen, wie zufrieden Kris Garfitt war, als sein intensives, kommunikatives Spiel ihn zum ersten Preis sowie dem Publikumspreis führte und ihn zum dritten Wettbewerbsgewinner auf der Posaune seit den 2000er Jahren machte. Nach seinem jüngsten Erfolg blickt Garfitt nun zurück auf seine ersten Erfahrungen mit Musik und darauf, wie alles begann. Wie so oft, erinnert er sich, hatte seine erste Begegnung mit einem Instrument zu Hause stattgefunden.
„Als ich fünf Jahre alt war, begann meine Mutter mir das Klavierspielen beizubringen. Sie hat es nur als Hobby betrachtet; sie ist keine professionelle Musikerin – die übliche Heranführung an Musik, könnte man sagen. Die erste tatsächliche Offenbarung kam für mich mit acht oder neun. Ein Lehrer für Blechblasinstrumente hielt einen Workshop an meiner Grundschule und brachte allerlei Blechblasinstrumente mit. Ich war sofort fasziniert. Es war mir relativ egal welches davon ich spielte; Hauptsache, ich durfte eins spielen. Ich fragte den Lehrer, der schaute mich an und sagte, ich sollte das Euphonium spielen, weil ich – ich zitiere – große Lippen hatte“, erinnert sich Garfitt lachend. „Wenn ich so darüber nachdenke, war das schon lustig. Jetzt, wo ich ein bisschen mehr darüber weiß, würde ich sagen, es gibt keine richtige oder falsche Mundgröße, um Blechblasinstrumente zu spielen. Jedenfalls“, fährt er fort, „hatte ich mit zwölf schon einmal darüber nachgedacht, dass ich vielleicht einmal professioneller Musiker werden wollte.“
So viel Entschlossenheit fand mehr als ein Ventil. Zu etwa der gleichen Zeit entwickelte Garfitt, was er einen „Fimmel“ für Golf nennt, den er für eine Weile auch als erste Berufswahl kultivierte. „Zum Glück ist daraus nichts geworden”, scherzt er. “Selbst während ich daran arbeitete, professioneller Golfer zu werden, spielte ich weiterhin Euphonium und Klavier. Schließlich wurde mir aber klar, dass die Möglichkeiten auf dem Euphonium begrenzt waren, also beschloss ich, etwas anderes auszuprobieren. Die Posaune war fast eine offensichtliche Wahl, unter anderem, weil das Mundstück genauso groß ist. Ich glaube, da hat es für mich richtig angefangen.“
„Während meines Studiums in Deutschland freundete ich mich mit Seri Dan an, einem Kommilitonen von der Freiburger Musikhochschule, der dort Klavier studierte. Wir begannen bald, zusammen Musik zu machen und bemerkten, dass wir als Duo richtig gut zusammenpassten. Wir waren fest entschlossen, so viel verschiedenes Repertoire wie möglich zu spielen, egal zu welchem Anlass. Ein Großteil davon waren Bewerbungen für Wettbewerbe, aber eine Erfahrung, die wir beide schätzen, war eine Veranstaltungsserie für die Organisation Yehudi Menuin Live Music Now in Freiburg. Ziel war hauptsächlich, Musik aus dem Konzertsaal herauszuholen und in Krankenhäuser und Seniorenheime zu bringen – und das Ergebnis war unglaublich; die Leute waren so dankbar.“ Es wird deutlich: eine Verbindung zu seinem Publikum aufzubauen ist für Garfitt, der Konzerte als Momente gegenseitigen Austausches schätzt, unerlässlich. „Dank meiner Arbeit mit der Organisation lernte ich, dass ein Großteil eines Auftrittes davon abhängt, wie man ihn präsentiert“, fährt er fort. „Und auch rein musikalisch betrachtet hat es mir immens geholfen, verschiedenstes Repertoire auswendig zu spielen. Es ist nicht nur eine intellektuelle Übung, und es geht nicht darum, anzugeben. Wenn man die Noten zwischen sich und dem Publikum stehen hat, wirken die wie eine Schranke, und die Kommunikation kann nicht richtig fließen.“
Kris Garfitt gib zu, dass all seine harte Arbeit auch einem ganz bestimmten Ziel galt: dem ARD-Wettbewerb. Als er zum ersten Mal von ihm hörte, lebte er noch in London und verfolgte, wie sein Landsmann und Vorgänger, Posaunist Michael Buchanan, es ins Halbfinale, dann ins Finale schaffte und zum Schluss den ersten Preis gewann. Doch erst nach seinem Umzug nach Freiburg wurde sich Garfitt der Bedeutung des Wettbewerbs bewusst und zog ihn ernsthaft als tragbare Option in Erwägung. Er bewunderte die Qualität der Darbietungen und beschloss, sich zu bewerben, sobald seine Kategorie wieder dabei war.
„Ich machte mir Sorgen, dass ich nicht einmal antreten dürfen würde, weil ich mich am oberen Ende der Altersgrenze befand, die normalerweise bei 28 Jahren liegt. Doch wegen der Pandemie wurden Verlängerungen gegeben, sodass ich doch noch teilnehmen konnte. Ich liebe es natürlich, im Orchester zu spielen, aber ich war Ende 20 und konnte mich der Frage nicht erwehren, ob es wohl noch mehr zu entdecken gäbe.“ Und tatsächlich stellte sich der ARD-Wettbewerb als Gelegenheit heraus, Neues zu kosten und alte Paradestücke zu polieren. Kris Garfitts Werkauswahl für den Wettbewerb reichte vom 18. Jahrhundert bis hin zu zeitgenössischer Musik, einschließlich Albrechtsbergers Konzert für Altposaune, Xenakis‘ nahezu unspielbare Komposition Keren und einige Konzertstudien von Svoboda, die eigens für den Wettbewerb geschrieben wurden. Doch das Stück, das er für das Finale ausgewählt hatte, war ein lieber alter Bekannter – Henri Tomasis Posaunenkonzert, das sich als die perfekte Wahl herausstellte, um Garfitts Virtuosität und Nuanciertheit zur Geltung zu bringen. „Ich war so froh, dass ich den Tomasi spielen konnte – ich liebe französisches Repertoire, besonders aus dem 20. Jahrhundert. Manchmal schafft man es in einem Wettbewerb in die letzte Runde und man muss etwas spielen, das man nicht wirklich mag. Das ist für einen als Musiker zwar eine gute Übung, fühlt sich aber antiklimaktisch an“, bemerkt er. „Allein schon, das Konzert mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und Joshua Weilerstein zu spielen war ein unvergessliches Erlebnis.“
Nach dem Sieg macht Garfitt nun eine kurze Pause, um die letzten Wochen zu verdauen. Doch der ARD-Wettbewerb ist natürlich ein Sprungbrett für weitere Gelegenheiten. Befragt zu seinen anstehenden Konzerten zeigt sich Garfitt mehr als nur enthusiastisch: „Es ist unglaublich! Ich habe Emails von mehreren musikalischen Einrichtungen mit Anfragen für gemeinsame Konzerte erhalten. Wie ich schon gesagt habe, ich spiele gerne im Orchester, aber ich muss zugeben, dass ich auf der Bühne nie so viel Spaß habe, als wenn ich solo spiele. Das Gefühl ist unvergleichlich, es ist ein besonderer Kick.” Doch beim Fokus auf eine Karriere als Solist geht es bei Garfitt nicht nur um persönliche Vorlieben. „Es ist auch eine großartige Gelegenheit, der allgemeinen Bevölkerung die Posaune als Soloinstrument vorzustellen und nicht als eines, das nur hinten im Orchester sitzt, sondern auch davor steht. Natürlich gibt es Festivals für Blechbläser, aber das sind noch immer rechte Nischenveranstaltungen. Mein größtes Ziel für meine Karriere als Solist war es immer, genau das zu tun – die Posaune einem breiteren Publikum vorzustellen.“
Dieser Artikel entstand im Auftrag des Internationalen Musikwettbewerbs der ARD.
Aus dem Englischen übertragen von Elisabeth Schwarz und Hedy Mühleck.