Im Oktober 2019 jährt sich zum 150. Mal die Unterzeichnung des österreichisch-japanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags von 1869. Grund genug, um auch mehr über eine ganz besondere musikalische Freundschaft zu erfahren. Vor der jährlichen Wiener Philharmoniker-Woche in Tokyo, sprach der Vorstand des Orchesters, Daniel Froschauer, mit uns über das zweite Zuhause des Orchesters, Suntory Hall, sein Herzensprojekt, den Vienna Philharmonic and Suntory Music Aid Fund, und die Entstehung einer wunderbaren Freundschaft.
Wirft man einen Blick auf das Publikum im Wiener Musikverein oder der Staatsoper, aber ebenso auf das Konzertprogramm in Japan, sieht man, dass Österreich und Japan eine besondere musikalische Beziehung verbindet. Was zeichnet diese Freundschaft aus?
Diese Freundschaft existiert schon sehr lange. Es gastierten schon früh erste österreichische Solisten in Japan, etwa der Bruckner-Schüler Rudolf Dittrich, der der Blasmusik sehr verbunden war (er komponierte Märsche) und 1888 Direktor der frisch gegründeten staatlichen Musikakademie in Tokio (heute: The Tokyo University of the Arts) wurde. Er hat den Grundstock für unsere heutige Beziehung gelegt.
Die ersten Konzerte der Wiener Philharmoniker in Japan fanden 1956 unter der Leitung des bedeutenden Komponisten Paul Hindemith statt und begründeten eine Konzerttradition, die in den Folgejahren von herausragenden Dirigenten wie Herbert von Karajan und Karl Böhm fortgesetzt wurde. In der Suntory Hall begann unsere Konzerttätigkeit am Ende der Eröffnungszeit im März 1987 unter dem Dirigat von Claudio Abbado. Seitdem kommen wir regelmäßig.
Das Besondere in Japan ist das Publikum: Es kennt vor allem unser Kernrepertoire wie etwa Bruckners Achte Symphonie. Das kennen sie dann mit verschiedenen Dirigenten und sie erkennen die Tradition, die dahinter steht und die uns verbindet zu Bruckner, Strauss, Brahms und anderen.
Dieses Jahr feiern Österreich und Japan 150 Jahre diplomatischer Beziehungen. Wie sehr kann Musik zu diesen Beziehungen beitragen?
Jahreszahlen sind immer eine Chance, eine bestehende Freundschaft zu feiern, eine Beziehung, ja eine Liebe neu zu definieren. Das japanischen Kaiserhaus schickt zum Beispiel Prinzessin Kako nach Wien, das ist sehr positiv und verbindet uns sehr. Japan ist sehr präsent in Österreich.
Die Verbindung wird getragen von einer tiefen Freundschaft. Wir sehen Suntory Hall nicht mehr nur als Partner, sondern als richtige Freunde. Eine enge Zusammenarbeit entstand durch die Gründung des Vienna Philharmonic and Suntory Music Aid Fund 2012. Aber auch vorher war gab es schon diese Partnerschaft, Suntory war und bleibt unser wichtigster Partner.
Dieser Music Aid Fund wurde nach der verheerenden Erdbebenkatastrophe Ost-Japans im März 2011 gegründet, um Familien und vor allem Kinder in betroffenen Gebieten durch Musik zu unterstützen. Wie kam es zur Gründung?
Wir fragten uns damals sofort: Was können wir tun? Wir haben sofort umgerechnet eine Million Euro gespendet und Suntory hat eine Million dazugelegt – somit war die Gründung des Vienna Philharmonic and Suntory Music Aid Fund geschafft. Wir haben in Katastrophengebieten, wie etwa in Sendai, gespielt, wo ich von Anfang an dabei war. In Worten kann man das gar nicht fassen oder beschreiben. Es herrschte eine unglaubliche Verwüstung durch den Tsunami, eine unvorstellbare Katastrophe – wir haben auch bei einer Trauerfeier gespielt.
Welche Programme haben die Wiener Philharmoniker für Kinder initiiert? Wie wird das Engagement von den Familien aufgenommen?
Wir sind in eine Schule gefahren und haben eine Probe gemeinsam mit Schülern gespielt, am Nachmittag einen Meisterkurs gegeben, am Abend ein Konzert gespielt, danach gemeinsam ein Stück mit Kindern – es war sehr viel Aktivität für die Kinder. Wir bekamen unglaublich viel positives Feedback. Ganze Familien kommen, sie sind stolz, wollen ein gemeinsames Foto.
Im Herbst 2016 haben die Wiener Philharmoniker gemeinsam mit Kindern aus den betroffenen Gebieten ein Konzert in der Suntory Hall gespielt: Das Herz der Harmonie. Welche Erinnerungen und Eindrücke hat diese Konzert bei Ihnen hinterlassen?
Es war eine wunderschöne Situation und wurde sehr toll aufgenommen. Wir haben den letzten Satz von Beethovens Neunter Symphonie gespielt – zunächst in Suntory Hall geprobt und dann aufgeführt. Es war das Ergebnis und der Höhepunkt der ersten Jahre unserer Zusammenarbeit; die ganze Liebe, die in das Projekt hineingegangen ist, hat sich widergespiegelt. Es war herrlich, ein Meisterwerk der symphonischen Literatur mit den Jugendlichen einzustudieren – und es ging um einen höheren Sinn als um das reine „Notenspielen“. Ich glaube, dass die Kinder genauso viel mitgenommen haben wie wir.
Inwiefern glauben Sie, hat diese Freundschaft das musikalische Leben in Tokyo und Japan, aber auch in Wien und Österreich verändert?
Die Philharmoniker gehen in ihren Programm so gut es geht auf Wünsche und Vorlieben des japanischen Publikums ein und berücksichtigen das auch bei den Dirigenten. Uns wird eine große Wärme und Sympathie entgegengebracht. Wenn man dieses Gefühl der Liebe spürt, fühlt man sich geborgen, und man spielt noch viel lieber. Im Musikverein Golden Week haben wir viele Freunde, und diese im Publikum sitzen zu sehen stimmt einen gleich positiv.
Die Wiener Philharmoniker beweisen ihr soziales Engagement nicht nur in Japan, sondern auch bei anderen Projekten...
Das soziale Engagement ist einer der tragenden Eckpfeiler des Vereins Wiener Philharmoniker seit seiner Gründung 1842. Nachhaltigkeit wird beim sozialen Engagement besonders ernst genommen – wir machen Dinge, wo wir spüren, dass sie in vielen Jahren auch noch eine Beständigkeit haben. Die Philharmoniker spenden zum Beispiel zu Weihnachten regelmäßig viel Geld, auch über mehrere Jahre, wie etwa an Amnesty International oder Licht ins Dunkel.
Dieses Interview wurde von Suntory Foundation for the Arts, Suntory Hall gesponsert.