Die Koloratursopranistin Akie Amou hat von Japan aus internationale Karriere gemacht; durch ihre Unterrichtstätigkeit an der Suntory Hall Opera Academy gibt sie nun ihr Wissen und ihre Erfahrung an die nächste Generation von japanischen Sängern weiter. Dabei war es eigentlich gar nicht ihr erklärtes Ziel, die Bühnen der Welt zu erobern, berichtet sie im Gespräch: „Die Musik selbst und die Liebe zur Musik waren einfach immer schon in mir. Seit ich klein war habe ich immer gerne gesungen, habe aber zuerst nicht daran gedacht, das beruflich zu machen. Dann habe ich Musik studiert und die Karriere hat sich schließlich einfach so entwickelt.“

Akie Amou
© Akira Muto

Nach ihrem Abschluss an der Tokyo University for the Arts kam sie 1993 durch ein Stipendium zuerst nach Stuttgart und schließlich nach Berlin. Ursprünglich, so erzählt sie, wollte sie „wie wahrscheinlich jeder Sänger“ nach Italien gehen, um ihre Studien fortzuführen, aber da sie Mozart, Strauss, Bach und auch Verdi gleichermaßen liebt, schien Deutschland die ideale Wahl zu sein, um neben italienischem auch deutsches Repertoire zu erarbeiten. In den folgenden Jahren gewann Amou nicht nur etliche Preise – unter anderem den ersten Preis bei der dritten Ausgabe der Queen Sonja Music Competition – sondern sang sich auch direkt in die Herzen des Publikums. Anfangs sei es allerdings nicht leicht gewesen, als Asiatin im westlichen Opernbusiness Fuß zu fassen, denn es habe durchaus Leute gegeben, die es „seltsam fanden, wenn zum Beispiel die Gilda in Verdis Rigoletto von einer Asiatin gesungen werden sollte“. Diese Einstellung habe sich „aber langsam in den letzten Jahren geändert; viele gut ausgebildete Sänger aus Asien kommen nach Europa und wenn man gut singt, stehen die Türen offen!“, freut sich Amou und betont, dass sie sehr froh sei, dass auch ihr damals die Chance gegeben wurde, ihr Können zu zeigen, denn „die Stimme ist schlussendlich das, was zählt“. Und so führte ihr glockenklarer Sopran Akie Amou schließlich auf die großen Bühnen in ganz Europa. Sie sang unter anderem Mozarts Königin der Nacht an der Komischen Oper Berlin, debütierte als Blonde in Die Entführung aus dem Serail in Genf und war wiederholt zu Gast beim Festival Rossini in Wildbad. Besonders ans Herz gewachsen ist ihr von all den Rollen aber Richard Strauss’ Zerbinetta: „Meine Lieblingsrolle ist Zerbinetta. Ich habe sie 1995 in Reinsberg zum ersten Mal gesungen – das war mein Debüt in Europa! – und diese Figur steckt einfach in mir, ich habe sie in vielen Produktionen gesungen und ich könnte sie jederzeit singen!“ 

Alberto Zedda dirigiert eine Probe von Il viaggio a Reims mit Akie Amou als Corinna

Mit der Suntory Hall verbindet Akie Amou schon seit dem Anfang ihrer Karriere eine enge Beziehung, denn bereits bei der Eröffnung im Jahr 1986 stand sie hier auf der Bühne – zwar noch nicht als Solistin, aber „als Musikstudentin war ich ein kleiner Teil dieses besonderen Abends, denn ich war im Chor beim Eröffnungskonzert – Mahlers Achte Symphonie – dabei; und es war ein tolles Erlebnis.” Eine Besonderheit des Konzertsaales, der vom Architekten Shōichi Sano geplant wurde und für dessen Akustik Yasuhisa Toyota (Nagata Acoustics) verantwortlich zeichnet, ist die Kombination zweier Bauweisen. Die Vorzüge der klassischen Schuhschachtel-Form, wie etwa beim Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, und die an eine Weinbergterrassen erinnernde Anordnung des Publikums in der Berliner Philharmonie wurden hier verbunden, um von jedem Platz aus ein ideales Klangerlebnis zu ermöglichen. Für Sänger bietet der Saal „ein tolles Erlebnis und schönen Klang, denn der Ton fließt und man merkt, wie die Stimme sich entfaltet.” Obwohl die Akustik von jedem Platz aus exzellent sei, habe sie natürlich Lieblingsplätze, wenn sie selbst im Publikum sitzt. „Zum Beispiel mag ich persönlich den Klang seitlich des Orchesters gern”, erzählt Amou.

Die Architektur des Konzertsaals führt auch dazu, dass szenische Opernproduktionen, die im Rahmen der Suntory Hall’s Hall Opera® seit 1993 regelmäßig auf die Bühne gebracht werden, ein ganz spezielles Erlebnis sind, denn „man wird beim Singen von allen Seiten gesehen; es ist nicht wie in einem typischen Opernhaus, wo das Publikum nur einen kleinen Teil sehen kann, sondern es ist unmittelbar dabei und wird zum Teil der Produktion“, beschreibt Amou die Vorteile und Herausforderungen der 360°-Bühne. Besonders gerne denkt sie an die Produktion von Guiseppe Verdis Falstaff im Jahr 1996 zurück, bei der sie als Nannetta mit einem ihrer großen Vorbilder gemeinsam auf der Bühne stand. „Ich war schon lange ein großer Fan von Renato Bruson, habe ihn bei einigen Konzerten bewundert und dann durfte ich mit ihm zusammenarbeiten und auf der gleichen Bühne stehen, das war so wahnsinnig schön, ich bin fast verrückt geworden. Ich konnte es beinahe nicht glauben! Da steht mein Lieblingssänger neben mir und singt – dieses Gefühl war besonders. Und Renato Bruson hat damals auch uns jungen Sängern Unterricht gegeben; er war sehr streng, hat manchmal schon ‚No‘ gesagt, wenn man nur eingeatmet hat, aber er hat uns so viel gezeigt, hat uns Wissen mitgegeben und alles für uns getan.“

Akie Amou und Renato Bruson bei der Verdi-Gala in der Suntory Hall
© Suntory Hall

Ihre eigene Unterrichtstätigkeit sieht die Sopranistin nun auch als Möglichkeit etwas weiterzugeben. „Es ist meine Mission und meine Pflicht, weil ich auch so viel von tollen Lehrern bekommen habe; wichtig ist mir auch, dass die Schüler die Lust an der Musik nicht verlieren. Selbst wenn etwas nicht so gut funktioniert, kann ich sie dabei unterstützen, die Freude am Singen nicht zu verlieren!” Besonders betont sie dabei die Kultur des Zusammenarbeitens, ein deutsches Wort, das sie in ihrer Zeit in Deutschland kennen- und schätzen gelernt hat. „In Japan gibt es zwischen Lehrenden und Studierenden oft keine gleichberechtigte Zusammenarbeit; in der Suntory Hall Opera Academy stand aber schon immer das gemeinsame Musizieren und Lernen im Vordergrund!”

Seit 1993 unterstützt die Suntory Hall Opera Academy junge Sänger und Pianisten und bietet ihnen die Möglichkeit, ihre Studien zu vertiefen und künstlerisch zu reifen. Seit 2011 leitet nun Tenor und Dirigent Giuseppe Sabbatini als Executive Faculty das Ausbildungsprogramm, in dem die Studierenden zunächst im Primavera Kurs an der technischen Basis ihres Gesangs arbeiten, bevor sie im Advanced Kurs ihr Training vertiefen und ihr Repertoire erweitern. „In Japan singen junge Sänger nämlich oft zu früh zu schwieriges Repertoire”, führt Amou aus, „aber zuerst muss die technische Basis da sein, deswegen arbeiten die Studenten der Opera Academy zunächst nach dem Studium noch einmal an den Grundlagen.” Insgesamt zwei Jahre werden die Nachwuchstalente dabei nicht nur in technischen Belangen gecoacht, sie erlernen auch die Feinheiten der italienischen Sprache, arbeiten an ihrem Ausdruck und der Interpretation. „Im Vergleich zu westlichen Sängern sieht man bei Asiaten die Emotionen zum Beispiel seltener im Gesicht, deswegen müssen wir mit den jungen Sängern auch in diesem Bereich arbeiten, damit sie lernen, ihren Körper richtig einzusetzen”, erzählt Amou im Gespräch. Unterstützt werden sie dabei von einem Team an Coaches, die allesamt selbst auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken und dadurch nicht nur Technik und Wissen vermitteln, sondern auch den ein oder anderen Insidertipp teilen können. So erzählt Akie Amou etwa, dass ihre eigene Erfahrung bei Gesangwettbewerben dabei hilft, junge Sänger darauf vorzubereiten und sie ihnen mitgibt, wie wichtig es ist, „in diesen Minuten alles zu zeigen, was an Können in einem steckt und sich beim Singen seelisch komplett ‚nackt‘ auszuziehen, um Publikum bzw. Jury zu berühren. Denn nur schön singen reicht nicht, es muss auch Emotion dabei sein und man muss den Moment auf der Bühne genießen.“ 

Die Hall Opera® - Inszenierung von Das Rheingold in der Suntory Hall
© Matthias Creutziger

Zusätzlich zu den Workshops und Meisterklassen gibt es auch Auftrittsmöglichkeiten für die Nachwuchstalente, unter anderem direkt in der Suntory Hall. „Zum 35. Jubiläum des Saals wird La traviata aufgeführt und dieses Mal haben die Studenten der Akademie nicht nur die Möglichkeit, bei den Proben als Understudies dabei zu sein und ein kleines Konzert zu geben, sondern es gibt eine eigene Vorstellung, bei der diese jungen Sänger singen und so Bühnenerfahrung sammeln können.“ Ein Ziel bzw. eine Vision sei es, dass in Zukunft „Hauptrollen bei der Suntory Hall Opera mit japanischen Sängern besetzt werden können, die in Europa erfolgreich sind und die für eine tolle Produktionen gerne nach Japan zurückkehren.“ Als ich Akie Amou am Ende unseres Gesprächs frage, ob es sie neben ihrer Unterrichtstätigkeit und den Auftritten in Japan im Rahmen ihrer persönlichen Zukunftspläne auch wieder einmal reizen würde, auf die europäischen Bühnen zurückzukehren, kommt prompt eine euphorische Antwort: „Ja klar, wenn jemand eine Zerbinetta braucht – ich bin bereit!“ 


Dieser Artikel entstand im Auftrag von Suntory Hall.