Die spanische Festspiel-Landschaft ist genauso reich und vielseitig wie das Land selbst. Es ist ein faszinierendes Angebot, von Musik der Antike bis Barock, Tanz und Flamenco, Festivals an der Küste und in den Bergen, in Kirchen und Schlössern. Hier finden Sie eine Zusammenfassung der wichtigsten von ihnen; wir hoffen, dass wir Sie inspirieren und Sie dem Versuch nicht widerstehen können, ein paar freie Tage in Ihrem Kalender zu suchen, um eine Reise nach Spanien zu buchen.
Die Saison beginnt in Madrid mit Madrid en Danza, eine breitgefächerte Vorführung von verschiedenen Tanzstilen – spanische und internationale – und Ballett. Wenn der Herbst fortschreitet und die Tage kälter werden, können Sie die letzten Sonnenstrahlen in der wunderschönen Stadt Cadiz beim Festival de Música Española „Manuel de Falla” genießen, dessen Name Ihnen bereits verrät, was Sie wissen müssen. Das Programm dreht sich um spanische Musik und spanische Musiker, mit so einigen Flamenco-Veranstaltungen.
Wenn der Winter einbricht, verlassen wir die Küste Cadiz’. Auch wenn ich befürchte, dass wir der Kälte nicht entkommen können, so sind die hübschen Renaissancestädte Úbeda und Baeza doch einladend und reizend in jeder Jahreszeit, besonders wenn die Paläste und Kirchen mit den Stimmen und Instrumenten gefüllt sind, die das Renaissance- und Barockprogramm des Festival de Música Antigua de Úbeda y Baeza zum Leben erweckt. Das Festival findet seit 21 Jahren statt und wächst ständig weiter an, sodass es sich auf umliegende Städte ausweitet und immer internationaler wird: 2007 war das Programm Mexiko gewidmet.
Es gibt keinen besseren Weg, dem beißenden Winter zu entrinnen, als auf die kanarischen Inseln zu reisen, deren angenehmes Klima im Januar das Festival Internacional de Música de Canarias beheimatet. Einige der besten europäischen Orchester, Dirigenten und Solisten reisen zu der Inselgruppe, möglicherweise auch aufgrund des warmen Wetters, wo sie das Programm gemeinsam mit heimischen Orchestern gestalten: dem Orquesta Sinfónica de Tenerife und dem Orquesta Filarmónica de Gran Canaria.
Als Frühlingsvorspiel reisen wir weiter in die Küstenstadt Barcelona, wo wir zwei wichtige Konzertsäle finden (Palau de la Música und l’Auditori), die beide nicht nur selbst bedeutende Saisonen veranstalten, sondern auch Programme von anderen Veranstaltern auf die Bühne bringen. Barcelona ist außerdem die Heimat eines der wichtigsten Opernhäusern, das Gran Teatre del Liceu. Das musikalische Angebot der Stadt ist also groß und umfassend genug, dass man an fast jedem Abend der Saison mindestens eine vielversprechende Veranstaltung findet. Das Barcelona Obertura Frühlingsfest versucht genau dies zu präsentieren, indem es die unterschiedlichen Veranstaltungen der Stadt zwischen 4. und 7. März hervorhebt: es ist eine besonders belebte Zeit mit nicht weniger als 19 Veranstaltungen dieser drei großen Häuser, und zwar von einer solch hohen Qualität, dass einem die Wahl schwerfallen dürfte.
Wir können Andalusien aber nicht für lange verlassen (es ist die Region mit den meisten Festspielen, sei es wegen der bloßen Größe oder wegen des außergewöhnlich reichen historischen und künstlerischen Erbes), also kehren wir im März zum Festival de Música Antigua de Sevilla zurück. Es dauert vier Wochen und findet an vier Plätzen statt: im Teatro de la Maestranza, in der Kathedrale, der Kirche San Luis de los Franceses und dem modernen Espacio Turina. Das Programm von Renaissance- und Barockmusik verbindet spanische Ensembles mit deren Kollegen aus anderen Ländern. Das herrliche Orquesta Barroca de Sevilla spielt eine aktive Rolle beim Festival, während die diesjährige Auflage auch Ensembles wie die Accademia del Piacere, Capella Santa Maria und The King’s Consort miteinbezog. Es waren einige höchstinteressante Projekte dabei, wie die originale Version für Quintett und Sopran von Boccherinis Stabat Mater, und die Goldberg Variationen, gespielt auf einem Cembalo. Es gab auch Veranstaltungen, die im Zusammenhang mit dem aus Sevilla stammenden Maler Murillo standen, der dieses Jahr sein 400. Jubiläum feierte.
In der Karwoche darf man nicht auf die Festspiele Semana de Música Religiosa de Cuenca vergessen. Die goldene Zeit, in der das Festival neue Werke in Auftrag gegeben und uraufgeführt hat, ist schon lange verblasst, aber der Ort Cuenca gehört zum UNESCO Weltkulturerbe und bietet einige andere Sehenswürdigkeiten wie das Museo de Arte Abstracto Español, die einen Besuch unbedingt lohnenswert machen.
Falls Sie Úbeda besser kennenlernen wollen, aber kein Fan von Alter Musik in kalten steinernen Kirchen sind, dann haben Sie im Frühling eine weitere Chance: die Stadt holt alles aus ihren Reichtümern heraus und veranstaltet ein zweites Festival. Das Internationale Musik- und Tanzfestival „Ciudad de Úbeda” findet zwischen Mai und Juni im atemberaubenden Hospital de Santiago statt, das 1575 erbaut wurde. Die Auflage 2018 bot unter anderem Konzerte mit Pepe Romero, Ainhoa Arteta und Javier Perianes; es gab Kammermusikkonzerte, Kinderveranstaltungen und Ballett. Die 30. Ausgabe wurde von La Fura dels Baus beendet, mit einem breitgefächertem Programm und dem Gewinner des Concurso Internacional de Piano Premio Jaén.
Eines darf man nicht nicht vergessen: es gibt viele – sehr viele! – Flamenco-Festivals, kleine und große, vor allem im Süden des Landes. Eines der besten Aushängeschilder für Flamenco ist das Suma Flamenca in Madrid, dessen Veranstaltungen an verschiedenen Schauplätzen im Juni stattfindet, auch in Parks, und manche sind sogar bei freiem Eintritt.
Zugegeben, es ist nichts für Menschen mit Klaustrophobie, aber ein wahrhaft magischer Ort, um großartige Sänger und Solisten zu hören, liegt unter der Erde. Das Festival Cueva de Nerja ereignet sich, wie der Name schon verrät, in den Nerja Höhlen; eine davon – Sala de la Cascada o del Ballet – wurde über Jahrtausende durch Wasser und Chemie in ein natürliches Amphitheater geformt und beheimatet jedes Jahr die Konzerte des Festivals.
Der Sommer wird von den großen internationalen Festspielen begrüßt; das Festival de Granada macht den Anfang. Mit der Bestellung des neuen künstlerischen Leiters, Pablo Heras-Casado, scheint die 67. Auflage des Festivals ein großer Erfolg gewesen zu sein. Die Lage macht dieses Festival einzigartig: die Alhambra teilt ein immenses musikalisches Vermächtnis, das von diesem unvergleichlichen Platz aus in die Welt hinausgetragen wird. Das diesjährige Festival, in der Kulisse des Palacio de Carlos V und den Gärten von Generalife, sah Musik von Debussy mit Les Siècles, Flamenco, Tanz, von Forma Antiqva gespielte Barockmusik, und ein spanisch inspiriertes russisches Repertoire vom Mariinsky Orchestra und Valery Gergiev.
Lassen Sie sich von den heißen Sommernächten an der Costa Brava wegzaubern. Das Festival Castell de Peralada findet in Alt Empordà statt, einer Weinregion in den Ausläufern der Pyrenäen. Es gibt einige Veranstaltungsorte, aber die meisten Konzerte finden in einem mittelalterlichen Schloss statt. Von Anfang Juli bis Mitte August bietet es ein abwechslungsreiches Programm, mit Liederabenden, Opern und Ballett: Jonas Kaufmann und Plácido Domingo waren nur zwei von zahlreichen hochklassigen Künstlern dieses Jahr. Es ist ein ambitioniertes Festival, das seine eigenen Operninszenierungen auf die Bühne bringt; dieses Jahr waren es Die Zauberflöte und Händels Rinaldo. Weiters wurde hier die Premiere und die einzige Aufführung in Spanien von Svetlana Zakharovas (ein Star am Bolshoi-Theater) Amore gezeigt, sowie auch einige heimische Projekte wie die von Silvia Pérez Cruz und Marco Mezquida
Der Name „Schubertiade” allein versetzt uns ins Wien um 1820 zurück. Die Vilabertrán Schubertiade, die von der Franz Schubert Gesellschaft in Barcelona organisiert wird, huldigt der Liedkunst jedoch in einem mittelalterlichen Kloster, dem Canónica de Santa Maria de Vilabertrán, das im August das Herz der Gesellschaft ist. Die besten Liedsänger der Gegenwart versammeln sich für ein Programm, das auch Kammermusik sowie ein intensives Lehrangebot beinhaltet.
Für viele ist der Sommer gleichbedeutend mit dem Ruf des Meeres, also reisen wir an die Küste zu den Festspielen in Santander und San Sebastián, die jedes Jahr großartige Solisten und Ensembles anlocken und an außergewöhnlichen Plätzen präsentieren. Weitere Vorteile des Nordens der iberischen Halbinsel ist der milde Sommer und die fabelhafte Küche. Das Festival de Santander richtet das Finale des Internationalen Klavierwettbewerbs in Santander aus, und im August kommen hochkarätige Orchester wie das London Symphony Orchestra mit Simon Rattle oder das Budapest Festival Orchestra mit Iván Fischer. Solisten wie die Labèque Schwestern, Joaquín Achúcarro und Christian Gerhaher geben sich im Palacio de Festivales die Türklinke in die Hand.
Den gesamten August über heißt die schicke Stadt San Sebastián, die sich über der Küste von La Concha erhebt und das Kursaal-Auditorium beheimatet, Ensembles von den Rotterdamer Philharmonikern und ihrem Dirigenten Yannick Nézet-Séguin bishin zum NDR Elbphilharmonie Orchester willkommen. Das Quincena Musical de San Sebastián hat auch eine dramatische Seite, mit der La Fura dels Baus-Inszenierung von Haydn’s Schöpfung und der Koproduktion von Rossinis L’italiana in Algeri vom Teatro Colón of Buenos Aires und dem Festival de San Lorenzo de El Escorial.
Ins Deutsche übertragen von Elisabeth Schwarz.