Man muss nicht lange suchen, um die Götter der tschechischen Musik in Prag zu finden. Vor dem Rudolfinum, dem überwältigenden Konzerthaus und Galerie der Neorenaissance am westlichen Ende der Altstadt, steht Antonín Dvořák wie eine bronzene Gottheit. Im Inneren hat die Tschechische Philharmonie ihren Stammsitz im Dvořák-Saal und Kammermusik erfüllt den intimen Suk-Saal. Am anderen Ende der Altstadt, im prachtvollen Gemeindehaus, beheimatet der Smetana-Saal das Prager Symphonieorchester und ein buntes Aufgebot an Gastensembles.
Die Säle sind lebende Denkmäler eines Erbes, das 300 Jahre zurückreicht, in einem mit großartigen Komponisten gesegneten Land. Die Entwicklung von Bedřich Smetana zu einem Weltklasse-Talent in der Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Geburtsstunde eines nationalen Stils und der Beginn einer besonders fruchtbaren Periode, die Dvořák und seinen Schwiegersohn Josef Suk und im 20. Jahrhundert Leoš Janáček und Bohuslav Martinů hervorbrachte. Ihre Musik klingt so frisch und lebendig wie zu der Zeit als sie geschrieben wurde. Und abseits der Konzertsäle bietet Prag eine Fülle an Möglichkeiten, mehr über ihr Leben, ihre Geschichte und ihre zeitlose Musik zu erfahren.
Ein guter Ausgangspunkt ist das Smetana-Museum, beheimatet in einem wunderschönen mit Sgraffito verzierten Gebäude am östlichen Ufer der Moldau, nahe der Karlsbrücke. Der Komponist sitzt beinahe unbemerkt zwischen den Tischen des Kaffeehauses und das bescheidene Interieur spiegelt ganz und gar nicht den besonderen Platz wider, den er in den Herzen der Tschechen einnimmt. Dvořák ist vielleicht der Weltstar, aber Smetana ist der Komponist, der die Hingabe der Tschechen zu ihrem Heimatland in Werken wie Má vlast einfängt, das heuer das Festival Prager Frühling eröffnet.
Das Museum bietet eine umfangreichen Hintergrund zu Smetanas Familie und Karriere, ergänzt durch originale Manuskripte, die seine Vielseitigkeit durch alle Genres zeigen – symphonische Musik, Kammermusik und Opern. Eine bezauberndes Exponat von seiner berühmtesten Oper, Prodaná nevěsta (Die verkaufte Braut), verrät, welche Sensation nach ihrer Premiere 1866 in ganz Europa entstand. Wussten Sie, dass sie die einzige Oper ist, die einen Disput darüber enthält, was das Leben besser macht, Liebe oder Bier?
Das Dvořák-Museum ist etwas schwieriger zu finden, versteckt in einem weniger oft bereisten Teile der Prager Neustadt. Aber sobald man dort ist, ist es unvergesslich: in einem eleganten Barock-Sommerhaus mit Gärten und Statuen kann man völlig in das Leben und Werk des Komponisten eintauchen. Bei diesem Anblick ist es schwer vorzustellen, dass Dvořák als mittelloser Bratschist im Orchester des Böhmischen Interimstheaters war, zerschunden unter der Leitung des Dirigenten, Bedřich Smetana. Es war Johannes Brahms, der das Genie Dvořáks 1875 bei einem Kompositionswettbewerb erkannte. Wie die Ausstellungsstücke eindeutig zeigen, gewann Dvořáks schnell an Ruhm und Einfluss, sobald seine Werke einen Befürworter außerhalb des Landes hatten.
Während seiner gesamten Karriere nahm Dvořák Inspiration aus der Natur, was sowohl in der Umgebung des Museums als auch in der Ausstellung selbst widergespiegelt wird, die persönliche Gegenstände wie einen Gehstock, Hüte und Vogelbestimmungsbücher zeigt. Liebhaber werden in dieser einmaligen Sammlung Autographen von Manuskripten, Briefen, Fotos und Reiseberichten finden.
Viele Jahre besserte sich Dvořák sein Gehalt als Musiklehrer auf, und einer seiner Lieblingsschüler war Josef Suk, ein talentierter Violinist aus Křečovice. Die zwei Männer wuchsen so eng zusammen, dass Suk Dvořáks Tochter Otilie heiratete und zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich Suk selbst zu einem bekannten Komponisten entwickelt. Ein nationaler Geschmack zieht sich durch seine Musik, was vielleicht erklärt, warum sie nicht öfters außerhalb seines Heimatlandes gespielt wird. Sein nachhaltigeres Erbe ist wohl das Böhmische Streichquartett, ein bahnbrechendes Ensemble, das seit jeher eine Vorlage für jedes tschechische Streichquartett ist. Obwohl er weniger offensichtlich als eine Statue ist, ist der nach ihm benannte Kammermusiksaal des Rudolfinums ein angemessener Tribut.
Wenn Josef Suk der Vorzeigeschüler war, war Bohuslav Martinů das genaue Gegenteil. In der kleinen Stadt Polička geboren, wo er auf dem Kirchturm (sein Vater war der Sakristan der Kirche) aufwuchs, war Martinů ein Wunderkind, das im zarten Alter von 13 mit dem Komponieren begann. Der Stadtrat sprach ihm ein Stipendium zu, um am Prager Konservatorium zu studieren, wo er jedoch wenig Interesse am formellen Studium zeigte und 1910 für „unverbesserliche Nachlässigkeit” verwiesen wurde. Eine anschließende Anstellung als Violinist bei der Tschechischen Philharmonie verlief nicht viel besser und ab 1923 studierte und komponierte Martinů in Paris. Sein außergewöhnliches Talent, alles aufzusaugen und sein eigen zu machen spiegelt sich in den neoklassizistischen, surrealen und Jazzelementen in seiner Musik wider, die er in der Zwischenkriegszeit schrieb.
1940 flüchteten Martinů und seine Frau vor dem Einfall der Nazi und bereisten für die kommenden 19 Jahre die Welt, während er wie am Fließband ein weitreichendes Œuvre an symphonischer und Kammermusik, aber auch an Opern produzierte. Dank der Bemühungen des Martinů-Institutes in Prag, wird seine Musik immer öfter gespielt und gewinnt an Anerkennung, besonders seine Oper The Greek Passion wird heute regelmäßig an Opernhäusern weltweit gespielt. Wie auch Suk ziert Martinůs Name einen bezaubernden Konzertsaal in Prag – im Liechtenstein-Palais, Heimat der Musik-Akademie, wo sich die Studenten wahrscheinlich nur zu gut mit dem Komponisten identifizieren können.
Einer der strahlendste Sterne der tschechischen Musik im 20. Jahrhundert war selten in Prag. Leoš Janáček verbrachte den Großteil seines Lebens in Brünn, wo seine Erkundung der Volksmusik die Basis für eine neue Musiksprache und die Geburtsstunde für bahnbrechende Opern wie Jenůfa, Káťa Kabanová und Das schlaue Füchslein bildete. Janáček kam mit dem musikalischen Etablissement in Prag nicht zurecht – der Direktor des Nationaltheaters bestand darauf, Jenůfa umzuschreiben, bevor sie inszeniert wurde – was vielleicht der Grund ist, warum seine Fußabdrücke hier so klein sind. Das Prager Nationaltheater hat heute großartige Inszenierungen von Janáčeks Opern, obwohl wahre Fans wohl eher nach Brünn pilgern wollen, um die Heimat des Komponisten zu sehen, sein Grab und Denkmäler, unter anderem ein strahlendes goldenes Bildnis, das die Besucher des umfangreichen Janáček-Theaters begrüßt.
Liebhaber der klassischen Musik haben in Prag noch viel mehr zu entdecken. Besonders im Jubiläumsjahr werden Beethoven-Enthusiasten in den originalen Manuskripten schwelgen, die im Palais Lobkowicz (Teil der Prager Burg) zur Schau gestellt sind. Ein Ahne Lobkowicz’, Josef František Maxmilián, war ein großzügiger Mäzen Beethoven, der dem Prinzen seine Dritte, Fünfte und Sechste Symphonie widmete. Weiters zu sehen sind eine beeindruckende Sammlung an Gemälden, dekorativen und sakralen Kunstobjekten, Waffen und Rüstungen und Manuskripten von Händel, Mozart und Haydn, gelegentlich ergänzt durch Konzerte. Und keine Reise nach Prag wäre komplett ohne einen Besuch zum Ständetheater, wo 1787 Mozart selbst Don Giovanni uraufgeführt hat. Heute laufen durchgehend Mozart-Inszenierungen am Theater, unter anderem eine Neuinszenierung von Don Giovanni alle paar Jahre.
Das Tschechische Musikmuseum in Malá Strana bietet gleich doppeltes Vergnügen: eine atemberaubende Sammlung an über 400 historisch kostbaren Instrumenten, beheimatet in einer wunderschön restaurierten Barockkirche. Die Instrumente reichen von einem von Mozart gespielten Klavier bis zu Kuriositäten wie einer Glasharmonika und zweiköpfigen Blechinstrumenten, bekannt als „Šediphones”. Aber auch die moderne Ära ist nicht zu missachten, mit einer aufschlussreichen Ausstellung über elektronische Instrumente und einer Fülle an interaktiven Aktivitäten für Kinder.
Die perfekte Coda für einen musikalischen Ausflug bildet der Vyšehrad, der historische Burgwall mit Blick über die Moldau, wo Prag gegründet wurde. Viele der größten Söhne, Töchter und Künstler des Landes sind hier begraben, in einem feierlichen Skulpturengarten. Prachtvolle Denkmäler und Statuen schmücken die Gräber von Dvořák und Smetana, und Karel Ančerl und Rafael Kubelík, den legendären Dirigenten, die die tschechische Musik in die Welt hinausgetragen haben. Wachsame Augen werden auch jüngere Berühmtheiten finden, wie den Violinisten Josef Suk, Enkel des Komponisten. Ihre Musik lebt in den Konzertsälen der Welt weiter.
Dieser Artikel wurde von Prague City Tourism gesponsert.
Ins Deutsche übertragen von Elisabeth Schwarz.