Seine Geschichten handeln von singenden Automaten, somnambulen Mädchen, mysteriösen Schlangenfrauen, Feen und Alchimisten, irregeleiteten Mönchen, Vampiren und Hexen. Jeder kennt die Geschichten des „Gespenster-Hoffmann“, wie der Dichter und einer der bedeutendsten Vertreter der Deutschen Romantik, E.T.A. Hoffmann, schon zu Lebzeiten genannt wurde. Seine übernatürlichen, sinistren Charaktere sind hervorragend treffende Vertreter des für das in Deutschland als Schwarze Romantik und in England noch treffender als Gothic Literature (Schauerliteratur) bezeichnete Genre. Doch nicht nur Phantastisches, Wunderbares und Unheimliches, sondern auch Komik, Satire und Ironie wie auch Gesellschaftskritik durchziehen das gesamte künstlerische Werk Hoffmanns und so sind seine phantastischen Erzählungen und grotesken Figuren oft mit einem Augenzwinkern geschrieben.
Heute vorrangig für seine literarischen Werke bekannt, wird oft vergessen, dass Hoffmann als Vielfachkünstler und Universalgenie darüber hinaus auch als Jurist, Komponist, Kapellmeister, Musikkritiker und Zeichner tätig war. „Die Wochentage bin ich Jurist und höchstens etwas Musiker, sonntags, am Tage wird gezeichnet, und abends bin ich ein sehr witziger Autor bis in die späte Nacht”, schreibt er einem Freund.
Geboren am 24. Januar 1776 in der preußischen Hauptstadt Königsberg (heute Kaliningrad) als Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann, änderte er seinen letzten Vornamen als Geste der Verehrung für Mozarts Musik in Amadeus. Hoffmann wächst ohne Vater in einem bürgerlich-pedantischen Haushalt auf; umgeben von Onkeln, Tanten und Großeltern träumt er von einer Künstlerexistenz. Er schreibt Romane, die jedoch in der Schublade liegen bleiben, er komponiert, und bereits in jungen Jahren plagen ihn künstlerische Ausbruchsphantasien.
Wie von seiner Familie gewünscht, verfolgt er eine juristische Karriere und nimmt 1792 ein Jura-Studium auf, für das er 1798 das zweite Staatsexamen ablegt. Nach einem Referendariat in Berlin wird er 1800 nach Posen versetzt. Ab 1804 ist er Regierungsrat in Warschau, wo er bis 1806 zum Einmarsch Napoleons arbeitet. Die Franzosen stellen die in Warschau tätigen preußischen Beamten vor die Wahl, entweder den Huldigungseid auf Napoleon abzulegen oder binnen einer Woche die Stadt zu verlassen. Hoffmann reist ab und strebt nun danach, seine musikalische und kreative Arbeit endlich zu vertiefen.
Während seine Kompositionen zunächst wenig Anklang finden, konnte er für den Herbst 1808 eine Zusage als Kapellmeister in Bamberg erreichen. Doch bereits im Frühjahr des selben Jahres ist er von Geldsorgen geplagt und schreibt an seinen langjährigen Freund Theodor Gottlieb Hippe: „Ich arbeite mich müde und matt, setze der Gesundheit zu und erwerbe nichts! Ich mag dir meine Not nicht schildern. Seit fünf Tagen habe ich nichts gegessen als Brot, so war es noch nie. Ist es dir möglich, mir zu helfen, […] sonst weiß ich bei Gott nicht, was aus mir werden soll!“ Seine Anstellung in Bamberg, konnte sie ihm zumindest die Geldsorgen erleichtern, war jedoch von Niederlagen geprägt. Sein Debüt als Musikdirektor scheiterte aufgrund unzureichender Leistungen des Orchesters und der Sänger*innen bei der von ihm dirigierten Oper. Intrigen gegen ihn bewirkten, dass Hoffmann die Stelle als Kapellmeister bereits nach zwei Monaten wieder verliert. Auch seine Theaterkompositionen waren nicht einträglich genug. Stattdessen erhielt Hoffmann das Angebot des Verlegers der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung, Musikkritiken für das Blatt zu schreiben nachdem er dort seine Erzählung Ritter Gluck hatte veröffentlichen können.
Mit Ritter Gluck erscheint 1809 zum ersten Mal etwas Gedrucktes von ihm – da ist er 27 Jahre alt. Bis dahin hatte er seine künstlerischen Tätigkeiten immer nur als Nebentätigkeit verübt. Erst mit Mitte dreißig brechen die unter Verschluss gehaltenen literarischen und musikalischen Werke aus und dann scheint es kein Halten mehr zu geben, denn binnen weniger Wochen redet das ganze literarische Deutschland von ihm, vom „Gespenster-Hoffmann“.
Die Nacht ist sein Metier – darin lässt der Schwarzromantiker bizarre Fantastereien lebendig werden, treibt seine dunklen Doppelgänger, gespenstische Seelen und Wiedergänger durch die Straßen und erhebt sich so zum Herrn aber auch Getriebenen seiner spukhaften Geschichten. Er ist der erste Romantiker, der die düstere, die „Nachtseite“ der menschlichen Existenz erzählerisch verarbeitet und unter Zuhilfenahme phantastischer, teils makabrer Stilmittel ausleuchtet. Entscheidend sind dabei oft seine medizinischen und psychologischen Kenntnisse, die Hoffmann dank seiner Freundschaften zu Bamberger Ärzten, aber auch dank der Lektüre einschlägiger psychiatrischer Literatur beitragen kann. Prägend für sein literarisches Schaffen war auch die Gründung verschiedener Geheimbünde im 18. Jahrhundert, zu deren bekanntesten die Rosenkreuzer und der Illuminatenorden zählen. Deren mysteriöses, geheimes und im Verborgenen stattfindendes Treiben war geradezu prädestiniert, in Hoffmanns Geschichten Wiederklang zu finden. Bereits als Zwanzigjähriger soll Hoffmann Geheimbundromane geschrieben haben, die aber mangels Verlegerinteresse zunächst nicht veröffentlicht und später verloren gegangen sind. Das Genre wurde von ihm aber später in seiner Erzählung Die Serapionsbrüder wieder aufgegriffen. Ein weiteres, wesentliches Vorbild waren für ihn auch die die sogenannten Gothic Novels – die Schauerromane seiner englischen Zeitgenossen. Und so wurde Hoffmanns Roman Die Elixiere des Teufels maßgeblich von Matthew Gregory Lewis' The Monk inspiriert.
Hoffmann greift zahlreiche, unser heutiges Bild der Romantik prägenden Sujets in seinen Erzählungen auf. Auch die Vielfältigkeit seines beruflichen und künstlerischen Schaffens, das sich zwischen seinem Leben als Bürokrat und Erfinder phantastischer Geschichten erstreckt, fließt in seine Arbeiten ein. Und so lassen viele seiner Charaktere durchaus autobiographische Bezüge erkennen: Seine Charaktere sind Maler, Musiker, Kapellmeister und seine Liebe zur Musik bleibt ebenso wenig unerwähnt. So erweist er Mozart, Gluck, Beethoven und einigen anderen Komponisten in seinen Erzählungen immer wieder seine Ehrerbietung.
Als 27-Jähriger fragt er sich: „Ob ich wohl zum Maler oder zum Musiker geboren bin?“ Zurecht, denn bei all seinen literarischen Erfolgen, rücken seine Arbeiten als Komponist oftmals in den Hintergrund. Hoffmann komponiert Vokal- und Instrumentalmusik und zahlreiche Bühnenwerke. Das bekannteste Werk und sein größter kompositorischer Erfolg ist seine Oper Undine, die 1816 im Königlichen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt in Berlin anlässlich des Geburtstagsfestes Friedrich Wilhelms III. von Preußen uraufgeführt wird.
„Eine wahrhafte Oper scheint mir nur die zu sein, in welcher die Musik unmittelbar aus der Dichtung als notwendiges Erzeugnis derselben entspringt.“ Und so sucht Hoffmann nach einem Stoff, der ihm bei der Komposition als Inspirationsquelle dient und seiner Vorstellung von der romantischen Musik als „geheimnisvolle Sprache eines fernen Geisterreichs“ entspricht. Über die Zusammenarbeit mit Friedrich de la Motte Fouqué, der das Libretto nach seiner gleichnamigen Märchennovelle verfasste, ist Hoffmann überglücklich und bescheinigt eine „künstlerisch exaltierte Stimmung“. Undine gilt als eine der ersten deutschen Romantischen Opern, welches jedoch eher dem Sujet und nicht der noch sehr von der Klassik geprägten Musik geschuldet ist. Hoffmann habe „das tiefe Wesen der romantischen Personen in jener Erzählung innig empfunden“, was sich im metaphysischen Charakter der Oper, zugleich aber durch das leidenschaftliche Handeln der Personen widerspiegelt. Das Werk gerät jedoch später in Vergessenheit, da sie von der gleichnamigen, 29 Jahre später komponierten Oper von Lortzing, die sich als bühnenwirksamer herausstellt, verdrängt wird.
Während er sich von Zeitgenossen inspirieren lässt, dienen er und sein Œuvre ebenso als Inspirationsquelle für musikalische und literarische Bearbeitungen. Hoffmanns ungewöhnliche, phantastische Geschichten und makabre wie übernatürliche Kunstmärchen inspirierten nicht zuletzt Wagners Tannhäuser, Hindemiths Cardillac oder Léo Delibes Ballet Coppélia. Als Autor zahlreicher Novellen inspirierte er Tschaikowskys Ballett Der Nussknacker und auch Robert Schumanns Kreisleriana basiert auf Hoffmanns Figur des Johannes Kreisler. Mit Jacques Offenbachs Opéra fantastique Hoffmanns Erzählungen wurden seine Geschichten vollends verewigt und Hoffmann selbst, wenn auch stark fiktionalisiert, tritt als von Liebe und Wein trunkener Held in der Oper auf, der seine Geschichten zum Besten gibt.
Und auch der Einfluss auf seine literarischen Nachfolger reicht weit. In Russland mit Gogol und Dostojewski, über Frankreich mit Balzac und Baudelaire, bis zu Edgar Allen Poe, Franz Kafka oder Italo Calvino zieht sich seine Wirkung und so haben sie Hoffmann einiges zu verdanken.
Am 25. Juni 1822 stirbt E.T.A. Hoffmann mit gerade einmal 46 Jahren. „Ausgezeichnet im Amte / als Dichter / als Tonkünstler / als Maler“ lautet die Inschrift auf seinem Grabstein auf dem Berliner Friedhof der Jerusalems- und Neuen Kirchengemeinde. Das Universalgenie hinterlässt ein breites Œuvre and Erzählungen, Romanen und verschiedensten Kompositionen, aber auch Zeichnungen, die belegen, dass sein Werk weit über das eines Gespensterautors hinausgeht. Das Jubiläum zu seinem 200. Todestag bietet einen guten Anlass, dieses (wieder) zu entdecken!