Selbst nicht diesem beliebten flüssigen Genussmittel verfallen, bringt mich der Internationale Tag des Kaffees dennoch dazu, Ihnen eine weitere äußerst bekannte Bachkantate vorzustellen: die weltliche, nicht einem besonderen, huldigenden Anlass entsprungene Kantate Schweigt stille, plaudert nicht, BWV211, kurz Kaffeekantate, die Johann Sebastian Bach 1734 komponiert haben dürfte. Spätestens seit seiner Niederlassung als Thomaskantor in Leipzig 1723, aber bereits öfter davor, kam auch Bach schließlich nicht an einer Tasse des Heißgetränks vorbei, entwickelte sich die Messestadt Leipzig zum bedeutenden Ort der Kaffeekultur. Nachdem Ende des 17. Jahrhunderts die ersten Kaffeebohnen in der Stadt eingetroffen waren, sprießten Cafés um Börse und Marktplatz nur so aus dem Boden, zuvörderst das älteste sogenannte Caffè-Hauß Zum Arabischen Coffe Baum, späterer Treffpunkt namhaftester Persönlichkeiten wie E.T.A. Hoffmann, Goethe, Lessing, Wagner, Schumann, Grieg, Bebel und Kohl.
Und natürlich entstand das Zimmermannsche Kaffeehaus, in dem just im Jahre Bachs Ernennung zum Kantor neben dem Aufkochen des Mixes aus Wasser und dem gemahlenen exotischen Rohstoff die fast zwanzig Jahre andauernde populäre Tradition begründet wurde, anderthalb- oder zweistündige Konzerte aufzuführen – in der Wintersaison freitags von 20 bis ca. 22 Uhr, sommers in der Gartenanlage des Cafés mittwochs zwischen 16 und 18 Uhr. Hausensemble war dabei das Collegium Musicum, das Bachs familiärer Freund Georg Philipp Telemann auf die Beine gestellt hatte und für dessen Leitung er ab und zu nach Leipzig zurückkehrte, wenn nicht seine Nachfolger sowieso seine Werke spielten. Bach führte das Orchester für besagte Konzerte von 1729 bis auf eine Unterbrechung von 1737 bis 1739 bis zum Tode des Inhabers am 30. Mai 1741, vermutlich noch – wie es die Gedenktafel in der Katharinenstraße erzählt – zwei weitere Jahre für die Bespielung der Institution auf Bitten der Witwe Gottfried Zimmermanns.
Eine enge Beziehung verband Bach zudem nachweislich mit Christian Friedrich Henrici, seinem geschätzten Texter (und seinerseits Beamter bei der Weininspektion!), der die humorig-karikaturhaften, aber damit gesellschaftlich das ernste Thema der Erziehung aufgreifenden Plauderzeilen 1732 zum Stadtgespräch machte. Die ironische Geschichte um Schlendrian und seine kaffeeabhängige wie sexualhormonbeflutete Tochter Lieschen (Liesgen, so auch der Rufname Bachs Tochter Elisabeth Juliana Friederica) bringt der erzählende Tenor ganz moderierend und szenisch im bürgerlichen Umfeld des Tratsches zu Tisch im titelgebenden Rezitativ in Gang, nach dem der gestrenge und genervte Vater in der Bassarie „Hat man nicht mit seinen Kindern hunderttausend Hudelei!“ das Leid der meisten sich sorgenden Eltern klagt; und das die wie Kaffeegeruch über einem im Raum schwebende und letztlich im trauten Finale geäußerte nachvollziehbare Replik des Sprößlings, sie hätten es doch vorgemacht und täten es auch, zunächst stets ungerührt nicht geringer werden lässt. Davon zeugt das derbe Beschimpfen des Papas im rezitativischen Disput mit der Tochter „Du böses Kind, du loses Mädchen“ – „Herr Vater, seid doch nicht so scharf!“, dem sich Lieschens Laster und Rechtfertigung „Ei! Wie schmeckt der Coffee süße“ – instrumental selbstredend von der Traversflöte begleitet – anschließt.
Erpresst Schlendrian seine Tochter mit dem Verbot von Mann und Heirat, lenkt Lieschen ein, um dem Vater hellwach vom noch vorhandenen Koffein mit dem sehnlich-geschickten Zwei-Fliegen-mit-einer-Klappe-Beitrag „Heute noch, lieber Vater, tut es doch!“ (erläutert im folgenden Rezitativ) ein Schnippchen zu schlagen, indem sie sich beim Zukünftigen die vertragliche Regelung abbedingt, in der Ehe Kaffee nach Belieben zu kochen und zu schlürfen. Resigniert beziehungsweise traditionell einsehend endet der lustige Sketch-Schwank im erwähnten Erkenntnis-Terzett mit freudig-friedensstiftendem Tutti „Die Katze lässt das Mausen nicht“. Lassen Sie es sich schmecken – und Vorsicht: ohrwurmartige Bach-Suchtgefahr!