Nach dem etwas unbekannteren Werkbeispiel des Vormonats präsentiere ich Ihnen mit Jauchzet Gott in allen Landen, BWV51, im September (wieder) eine der prominentesten und zweifellos spektakulärsten Kantaten Bachs. Die wohl 1730 erstmals in Leipzig aufgeführte Solokantate sticht natürlich aus mehreren Gründen heraus. Das fängt, ganz ohne den ersten Ton je vernommen zu haben, damit an, dass Bach das Stück auf der Titelseite selbst einmalig als Cantata bezeichnet und sich der ursprünglich typisch italienischen Form dieses Genres angenähert hat, auch wenn es im zweiten Satz, spätestens beim finalen, durch direkten Übergang vom schon außergewöhnlichen Choral besonderen „Alleluja“ die vormals deutsche und bis nach Skandinavien beziehungsweise ins Baltikum reichende Gestalt des geistlichen Konzerts nicht gänzlich verleugnet. Auf dem Deckblatt befindet sich zudem Bachs Vermerk, sie unabhängig von der Lesung (15. Sonntag nach Trinitatis) spielen zu können, auch das ergibt sich ohne die Noten bereits durch den recht allgemeinen Text des allgegenwärtig anzuwendenden Gotteslobs. Nimmt man sich darüberhinaus schließlich die in Jubel- und Gebetsklang gesetzte musikalische Notation sowie dafür vorgesehene Besetzung vor, überrascht Bach mit einem virtuosen Doppelschlag hoch zwei.
Einerseits darf man Eingangs- und Schlussarie getrost als das barock-kantatige Non plus ultra der Sopranliteratur bezeichnen, quasi als einen Königin der Nacht-Vorläufer, der bis zum hohen C geht und dem Solisten in Sachen Koloraturen und Technik, besonders Atem, im äußerst zügigen Tempo alles abverlangt. Ja, ich schreibe hier bewusst Solist (vielleicht war die Kantate für einen speziellen Kastraten aus Dresden vorgesehen) – zumindest muss das für die Premiere am vermuteten 17. September gelten –, konnte Bach in der Kirche keine Ausnahme machen, so wie bei einer weiteren späteren Darbietung bei einem weltlichen Anlass eine Spitzensopranistin (auch an sie könnte Bach wegen der losgelösten Verwendung gedacht haben) für die Partie zu nehmen und somit in die Reihen der Thomaner zu schmuggeln.
Andererseits muss die nur bei dieser Solokantate allein als wechselnd obligat und im Begleitchor colla-parte eingebaute Konzert-Trompete in den Bravoursätzen Schwerstarbeit leisten. Können manche Forscher beim Sänger einen Namen vorsichtig in die Wahrscheinlichkeitsrechnung einpreisen, kann der schwierige Bläsersatz ziemlich gewiss nur vom ersten Leipziger Ratstrompeter Gottfried Reiche gemeistert worden sein – und das freilich ohne Bohrlöcher geschweige denn die sehr viel später in einer anderen Epoche erstmals benutzten Neuerfindungen der Klappen und daraufhin der modernen Ventile. Bachs Sohn Wilhelm Friedemann, der eine Fülle äußerst beliebter Kantaten seines Vaters in seiner Position in Halle wiederverwertet hat, fügte sogar für den ersten und letzten Satz eine weitere Trompete sowie Pauken hinzu.
Sind diese Eckmouvements in ihren ansteckenden Freudesorgien von Sopran, Trompete, Violine und Streicherensemble überaus beschwingt, setzt Bach mit dem Rezitativ und der langsameren Arie „Höchster, mache deine Güte“ mit schlichtem Continuo im 12/8-Takt einen besinnlicheren Kontrast. Jenen des erwähnten Gebets, dessen Inhalt mit dem Text „[...]auch ein dankbares Gemüte durch ein frommes Leben weisen, daß wir deine Kinder heißen“ durch die Stimmlage des Soprans entsprechend personale, reine Bedeutung zum Glauben an den milden Vater im Himmel erlangt. Dass das nötig ist, vermittelt die eingangs ebenfalls erwähnte Triosonate, die das – nicht musikwissenschaftlich, aber wörtlich genommene – trinitatische Choralkonzert „Sei Lob und Preis mit Ehren“ beinhaltet. Singt das Vokalsolo in Cantus firmus-Manier vom vertraulichen Dank für die erhoffte, erbetene Güte, zeugen die beiden Violinen mit Bass von steter, alltäglicher Herausforderung auf der Welt, fromm und tröstlich-zufrieden zu leben, und bereiten den Weg für abschließende attacca Surprise. Alleluja!