Wer hätte das gedacht: wieder „plagte“ mich die Auswahl, welche Bachkantate ich Ihnen im April denn vorstellen darf! Doch in Übereinstimmung zur österlichen und im Stück allgemein religionsstiftenden Erlösungsbotschaft mit der tröstlichen Wandlung von Angst und Trauerschmerz in Auferstehens-, Begleiter- und durchaus dann kirchenhörige Durchhalte- oder Rechtfertiungsfreude entschied ich mich jetzt letztlich für die Jubilate-Kantate Ihr werdet weinen und heulen, BWV103, die auch Ihnen mit diesem kurzen Text und beigefügten Hörbeispiel als teils augenzwinkerndes oder aufgehendes Seh- und Hörorgan das vielleicht einsetzende Augenrollen über meine sonst noch befürchtet beschriebene Unentschlossenheit und Vorzugsmerkmale der gerade nicht hier ausgeführten Werke (BWV146, BWV66, BWV67, BWV31, BWV12) zu nehmen beabsichtigt. Sie kam erstmals am 22. April 1725, also exakt zwei Jahre nach Bachs Wahl zum Thomaskantor, in Leipzig zur Aufführung und zwar gleich mit der Flauto piccolo, also der Sopranino-Blockflöte, die der Komponist schlussendlich in dem höchsten Tonumfang des Soprans überhaupt nur zweimal verwendet hatte.

Sie evoziert erstmal das gefährlich-pikierte, nervig-schrille Fühlen von Schmerzhaftigkeit, um es in ihrer Doppelrolle des Barock – sie übernimmt im Französischen und später in Klassik und Romantik dann vollends die quere Schwester – mit gleichsam tänzerisch-warmen Figuren zum obertonüberragenden, lieblichen Zirpen paradiesversprechender Metaphorik werden zu lassen. Nicht minder plakativ vollzieht dies in ernstem h-Moll der Chor mit tritonischen Seufzer- und dann zuversichtlich einredend erheiterten Concertofugen, wobei das Instrumentale gekonnt verwoben kontrapunktisch dazu verläuft. In einem Accompagnatarioso unterbricht der Bass dies wieder; mit dem Anschein, als ragte ein Kopf einerseits brüderlich im vorgetragenen Lamento, andererseits zweifelnd ob des schnellen wegwischenden Credos hervor. Es ermöglicht den Effekt der vokalen Gemeinschaft, ihm mit einem wiederholten, stärkeren „doch“ die Zuversicht durch den Glauben entgegenzuhalten.

Genau dieses Schema spiegeln die Rezitative und Arien von Tenor und Alt. Erst leitet das vorwurfsvolle Tenorrezitativ zum ausgebreiteteren Interrogativen und Ersehnten des Alt über den Verbleib von Jesu und Gottes Kraft für den zurückgelassenen, schwachen, verwundeten Erdling. Natürlich begleitet die Altarie „Kein Arzt ist außer dir zu finden“ die Flauto piccolo, denn wenn schon mal von Bach hineingeschrieben, kann sie wenigstens weiter ihre guten, virtuos, jedenfalls alles andere als holzschnittartig gehaltenen Dienste mit dem Continuo tun, innige, aufgebrachte Leidenssachständigkeit über ausbleibende Mullbinden göttlichen Approbationswirkens zu betonen. Freilich als übergeordneter oder unterschwelliger Zustand, während die Gesangsstimme höflich-ruhiger ins Gespräch geht. Die Sopranino könnte folglich auch das „wiederum erquicken“ aus dem Alt-Rezitativ in der Tenorarie „Erholet euch, betrübte Sinnen“, also die beruhigende Wiedersehensbegeisterung beim Auferstehen, übernehmen, schließlich entstand die paradiesische Assoziierung mit der Flöte auch durch sie spielende Putti. Doch macht das nun triumphal die Trompete – ein bisschen Abwechslung kann ebenfalls nicht schaden, dachte sich Bach wohl –, ist zudem das Hallo im Himmel und die Kraft des Glaubens sogar noch etwas stärker mit blechbeherschenden Engeln verbunden. 

Das Na-das-wird-schon muss am Ende der Choral „Ich hab dich einen Augenblick“ auf eine Strophe eines Paul-Gerhard-Liedes kundtun. Er schließt mit „Dein kurzes Leid soll sich in Freud und ewig Wohl verkehren.“ Hat's bei Ihnen – wie eingangs erwähnt – hiermit geklappt?