Geht man mit der herrschenden Meinung, dass Johann Sebastian Bach seine Kantate Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit, BWV106 – von einem Leipziger Kopisten 1768 fortan mit dem Beinamen „Actus tragicus” versehen – am ehesten anlässlich des Begräbnisses seines Onkels Tobias Lämmerhirt am 14. August 1707 aufgeführt haben dürfte, dann ist der Jahrestag gekommen, um Ihnen das Werk zum Start dieser neuen Bachtrack-Reihe kurz vorzustellen.
Und damit ein Stück, das nach ebenso breiter Ansicht für eine erstaunliche Arbeit gehalten wird und über dessen Entstehung – wie einleitender Umstand belegt – doch selbst so wenig bekannt ist. Vermutet wird neben angesprochener Entstehung in Mühlhausen zur Beerdigung des in Erfurt verstorbenen Verwandten eventuell noch der Ursprung ein Jahr später in Weimar. Dass es überhaupt von Bach stammt, obwohl weder Autograph noch Kopie aus der Zeit existieren, die auch aufgrund der alten Kantatenform ohne wechselnde Rezitativ-Arie-Struktur zugeordnet werden kann, daran hatten die Wissenschaftler jedenfalls recht schnell keinerlei Zweifel. Die Genialität der Anlage aus Motette, geistlichem Dialogkonzert und bearbeitetem Kirchenlied sowie deren kunstvoll durchdachte Ausfertigung in der Bildhaftigkeit einer begleiteten Sterbebettszenerie war einfach zu groß, um nicht auf Bach zu stoßen. Unter den Wissenschaftlern war Carl von Winterfeld, Gründungsmitglied der Leipziger Bach-Gesellschaft 1850. Für ihn – wie auch beispielsweise Albert Schweitzer oder Fanny Hensel – stellte sich die Kantate mit den Worten des Titels wirklich als die „allerbeste“ dar. Doch was macht diesen Eindruck eigentlich konkret aus?
Eine Erklärung dürfte die textliche Einfachheit des Bibelworts auf Vorlage der vom Theologen Johannes Olearius verfassten Christlichen Bet-Schule und die musikalische Bekanntheit der Choräle sein, die Bach für seine Interpretation nutzte. Eine andere darüberhinaus ist das typisch komplexe und zur Tiefe gehende Verflechten von scheinbar Vertrautem und Übersichtlichem, eigenen überragenden Ideen und der Auseinandersetzung mit dem Essentiellen, dem Lebensende. Diesem sind – nicht ungewöhnlich – instrumental die Klänge von Blockflöten und Gamben zugedacht. Sie bilden in ihrem verkörperten Ton des Leides, des Trosts, vor allem des würdig-gedämpften, „stillen“ Abschiednehmens die Hauptbesetzung der Kantate, natürlich samt Continuo und einem Quartett von Vokalsolisten.
Rein mit den meditativen Klängen der Instrumente beginnt die Trauermusik mittels der Sonatina, die auf schier magische wie eingängige Weise die einziehenden Gedanken allseitiger Gefühle anspricht und bündelt sowie den Fluss des Unausweichlichen fließen lässt in das theologische Bett. Dieses kündet im alttestamentarischen Teil mit dem Titel-Coro, dem Tenor-Arioso „Ach, Herr, lehre uns bedenken“, der Bass-Arie „Bestelle dein Haus“ und dem Chor „Es ist der alte Bund“, der mit der erlösungssehnlichen Todesstimme des Soprans im abrupten Verscheiden endet, von der von Gott bestimmten, erschreckend weisheitlichen Vergänglichkeit des Lebens.
Mit dem neutestamentlichen Teil aus der Aria (dem Alt-Satz „In deine Hände befehl ich meinen Geist“ und dem von einem Choral unterlegten sehr hohen Bass-Arioso „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“) wird der Blick schließlich auf die tröstliche Zuversicht auf das Leben nach dem Tod gerichtet. Dies in einem Himmelreich Gottes, dem im ersten Part des Schlusschorals zugesprochen wird; und zwar durch den Glauben an Jesu, den die schnelle „Amen“-Fuga beschwört. Ich beschwöre Sie, sich Bachs Meisterwerk anzuhören!