Für die Februar-Bachkantate habe ich erneut ein Werk zur Vorstellung herausgegriffen, das besondere Merkmale aufweist. Natürlich auch musikalische Auffälligkeiten, auf die ich gleich kurz eingehe, aber vorab – und das sogar noch mehr – sind es die erwähnenswerten äußeren Aspekte von Gott ist mein König, BWV71, einem Zeugnis aus Bachs sowieso nur fast exakt einjährigem Wirken in Mühlhausen, wohin er im Juni 1707 als Organist an Divi Blasii kam. Bei der am 4. Februar 1708 premierten Kantate handelt es sich um die zentrale „vocaliter und instrumentaliter“ gegebene Neukomposition zum Ratswechsel („Rathsstückchen“), der zu Bachs Zeiten den stattlichen Grund für eine jährliche Zeremonie im Rahmen zweier Gottesdienste darstellte.
Obwohl also nicht Kantor und damit eigentlich für die Erstellung der Figuralmusik zuständig, betätigte sich Bach dennoch ab und zu als Komponist und wurde so im Zuge des einmaligen Rituals der Zuständigkeit der Ratswechselmusik beim Blasii-Organisten vom 48-köpfigen Stadtrat mit der Anfertigung einer Kantate beauftragt. Aus den Akten geht dabei hervor, dass die politische Spitze Bachs Talent erkannte und seinen schnellen Weggang Richtung Weimar nur „mit Bedauern hinnehmen musste“, da der Angestellte auf seinem Weg zu Höherem einfach „nicht aufzuhalten“ sei. Ungewöhnlich deshalb auch, dass der Rat ihn in den zwei Folgejahren in Weimar anstelle der geschilderten Aufgabenverteilung vor Ort bat, nochmals die Mühlhäuser Ratswechselkantate zu verfassen.
Zur eigenen Festlichkeit der stets neu geordneten drei Ausschüsse mit ihren jeweiligen zwei Bürgermeistern sparte das Ratskollegium nicht und ermöglichte den Druck von Noten und Text, sprich in jenem Jahr den Eingang auf den 74. Psalm und alttestamentarische passende Anspielungen auf die Ablösung des „Regiments“ unter oberster Aufsicht von Kaiser Joseph I. (Schlusssatz). Damit darf sich die Kantate als erste und – da nicht verloren – einzige ihrer Art zählen, die zu Bachs Lebzeiten im Druck erschien, und dort unter dem Titel „Glückwünschende Kirchen Motetto in vier Chören“. Gemeint sind von Bach durch die Anordnung auf dem Deckblatt der Stimmen aufgeteilte Instrumentalchöre, also große Besetzungsmöglichkeiten: 1. Drei Trompeten und das Paukenpaar, 2. Violine I + II, Viola und Violone, 3. Zwei Oboen und das Fagott, 4. Zwei Blockflöten und ein Cello. Dazu tritt selbstverständlich der Vokalchor, explizit gebildet aus dem Solistenquartett und den Ripienisten à 4, und – als letztes erwähnt – die Orgel als eigentlicher „Basso“ des Continuos.
Wie üblich für frühere Kantaten Bachs, ist sie im Stil des 17. Jahrhunderts, einer typisierten Motette, geschrieben, ausgezeichnet durch mitunter loser zusammengeheftete, in sich übergehende, in Tempo und Rhythmik wechselnde Teile zwischen den Solisten und Choreinsätzen. Das ganze Werk beginnt unmittelbar mit einem knappen wie bekräftigenden Ritornell-Coro aller Stimmen auf „Gott ist mein König“, das sich nach den unterbrechenden solistischen Einschüben „von altersher“ (was das Tutti aufgreift) und „der alle Hilfe tut, so auf Erden geschicht“ wiederholt. Mit dem zweiten Satz, der vom Vertragsinstrument der Orgel begleiteten Aria für Tenor „Ich bin nun achtzig Jahr“ mit Sopranchoral „Soll ich auf dieser Welt“, sowie mit dem folgenden Chor „Dein Alter sei wie Deine Jugend“ zielt Bach vermutlich direkt auf die Lebensjahre des abermals neu erwählten Bürgermeisters Adolf Strecker, dessen erhoffte Weisheit im politischen Tun und Überdauern im Amt bis zum nächsten Jahr. Die übrigen vier Sätze ergießen sich im Lob auf und der Bitte an den Rat, Mühlhausen in seinen Grenzen friedlich und „im Heil“ zu erhalten, sowie in angesprochener Beweihräucherung des Kaisers – mit beliebtem neckischen Schluss, der zugleich den anfänglichen abrundend aufnimmt.