Die Vorstellung der Bachkantate Es erhub sich ein Streit, BWV19 bereitet mir besondere Freude, zählt sie doch zu einer meiner Lieblingskantaten, wenn man bei dem überreichen Konvolut an Johann Sebastian Bachs genialen Schätzen davon überhaupt bewusst sprechen kann. Erstmals am 29. September 1726 für das Michaelisfest, das zum Beginn der dunkleren Jahreszeit dem Gedenken an den mutigen und siegenden Erzengel Michael gewidmet ist, in Leipzig aufgeführt, ermuntert vor allem der anfängliche Chorus zu dem Gefühl der Zuversicht. Im beschwingten 6/8-Takt geschrieben greifen die Vokalstimmen mit dem Impetus der Streicher, Oboen, der Trompeten und Pauken derart ineinander, dass es nicht nur ein leichtes ist, sich die quirlig-aufgebrachten Engelsheerscharen des anführenden, kreuzbespeerten Heiligen Michael im eifrigen Kampf mit dem höllischen Drachen, dem Sinnbild des Teufels, vorzustellen, sondern mit dem Körper im Geiste der tänzerischen Lebendigkeit mitzugehen.
Kein Wunder zudem, dass sich der Chor extrahiert in Handschriften des späteren 18. und des 19. Jahrhunderts finden lässt, um an diesem Beispiel ein besonders gelungenes Kunstwerk eindrucksvoll dichter Fugensetzung für die Nachwelt festzuhalten. Auch Bachs Söhne Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel trugen zu einer Aufrechterhaltung der Beliebtheit dieser anziehenden Vertonung des Himmelswettstreits bei, indem sie die Kantate mit kleineren oder größeren Revidierungen aufführten. In Hamburg ab 1770 mit der Folge, dass das Stück als gängige „Quartalsmusik“ zum Michaelisfest gegeben wurde.
Dem Bild des „höllischen Drachen“ ist stets jenes der „rasenden Schlange“ vorangestellt, verdeutlicht durch die sich schlängelnden Sechszehntel, geschlagen von den Pauken und Trompetenhieben, um aus dem schönen Dickicht des lichten, friedlichen Himmelreichs zu fallen. Der allegorisch recht beladene Text stammt übrigens aus einem Gedicht eines unbekannten Verfassers, das wiederum Christian Friedrich Henrici (genannt Picander), Bachs familiärer Freund, aufgegriffen, eigens angepasst 1725 in seiner Sammlung erbaulicher Gedancken über und auf die gewöhnlichen Sonn- und Fest-Tage festgehalten und für die Kantate nochmals überarbeitet hatte.
Während das Bass-Rezitativ „Gottlob! Der Drache liegt“ den nicht überraschenden Ausgang vom Erfolg Michaels verkündet, verströmt die Sopran-Arie „Gott schickt uns Mahanaim zu“ Beruhigung in den höchsten Gefilden. Der Gesangsstimme zur Seite stehen dabei in passendem Kontrast zu den getrieben-lärmenden drei Oboen, Trompeten, den Pauken und der Streichertruppe das einfache Continuo und zwei sanfte Oboi d'amore. Die Solotrompete begleitet in einem Zitat eines Chorals dagegen die wunderbare, ansonsten mit Streichern und Continuo besetzte, Tenorarie „Bleibt, ihr Engel, bleibt bei mir“, die direkt an die so berührende Choralmelodie „Ach Herr, lass dein lieb Engelein“ und damit an den erhofften Beistand im Tode und der Auferweckung im Reich Gottes erinnert. Umrahmt ist sie von zwei Rezitativen, ersteres „Was ist der schnöde Mensch“ als Accompagnato in Einheit zur Arie vom Tenor gesungen, zweiteres „Lasst und das Angesicht“ vom Sopran als Übergang zum Schlusschoral vorgetragen.
Dort intoniert der vierstimmige Chor in einem 3/4-Takt „Lass dein' Engel mit mir fahren“. Fahren Sie nun ganz hörlustig mit auf den Wogen Bachs herrlicher Kantate zum Michaelisfest!