Im Mai standen zu den barocken Zeiten Leipzigs und stehen natürlich bei entsprechend kalendarischem Fall nach wie vor zwei hohe kirchliche Feste an, die auch Bach zu höchsterfreulichen Noten veranlasste: Christi Himmelfahrt, nach lukanischer Übermittlung bereits das Herabkommen des heiligen Geistes vierzig Tage nach Ostern, und Pfingsten, die „Geburtsstunde“ der Kirche, nach späterer Festsetzung und dem Wort Pentecoste entnommen fünfzig Tage nach Beginn der Osterzeit. Gerne stellte ich Ihnen hier dazu schon die äußerst feierlich-schmissige Himmelfahrtskantate Gott fähret auf mit Jauchzen, BW43, oder das sogenannte Himmelfahrtsoratorium, BWV11, vor, doch nötigt mich das Reihen-Design der Beschreibung einer Kantate pro Artikel, Sie darauf bei nächster Gelegenheit zu vertrösten. Stattdessen versorge ich Sie in den folgenden Zeilen mit einem kurzen Text samt Hörbeispiel, der überhaupt keinen weiteren Kummer aufkommen lassen könnte, beglücken die imperativen Laute der Kantate für den 1. Pfingsttag, Erschallet, ihr Lieder, erklinget, ihr Saiten!, BWV172, doch zu sehr.
Dabei verlangen sie zunächst einmal vor jeder Emission eine Entscheidung der Interpreten, welche Fassung denn gespielt werden soll, erfreute sich die ursprünglich am 20. Mai 1714 in Weimar aufgeführte Kantate großer Beliebtheit, so dass sie in Leipzig zwar üblichen, aber doch mehreren Bearbeitungen Bachs unterworfen wurde. Und Johann Sebastians Sohn Wilhelm Friedemann versetzte das Werk nach dem Tod – diesmal eher anders herum als in sonstigen Beispielen – für eigene Darbietungen erneut in den eher ungeklärteren Urzustand, während vermutlich auch Carl Philipp Emanuel wiederum die zweite Leipziger Variante für seine Zwecke übernahm. 1724, bei erster Vorstellung in Leipzig, hatte Bach die Kantate, deren Weimarer Fassung heute für instrumentale Arienbesetzungen wegen fehlenden autographen Stimmmaterials eben freier rekonstruiert werden kann und muss, nämlich in den Chorton von C-Dur nach D-Dur gesetzt sowie eine Traversflöte und den ersten Chor in kürzerer Form als vollwertigen Appendix zum Schlusschoral addiert. 1731, bei der Wiederaufführung in der Nikolaikirche, revidierte Bach diese Änderungen, fügte aber mit Sicherheit eine Oboe hinzu.
Zur Beschreibung des Eröffnungschores genügt es eigentlich komplett, Ihnen Bachs „schlichte“ Genialität selbst zu überlassen, wie er den Text rhythmisch-harmonisch zum auffordernden Sprechen bringt: eben tänzerisch-erhebend klar mit „erschallenden“ Trompeten und Pauken, „klingenden Saiten“ der Streicher und noten-takt-technisch im Chor danach gezogeneren „seligen Zeiten“. Sie wirken umso entschlossener durch den typisch kontrastierenden Mittelteil im strengeren Fugenverlauf. Nach dem Bass-Rezitativ-Arioso „Wer mich liebet, der wird mein Wort halten“ kommt es zur zentral vertonten Trinität mittels musikalisch-strukturell eigentlich nicht ungewöhnlichen, weil sinnfälligen, und doch weniger gewohnten drei aufeinanderfolgenden, dreistimmigen Arien. Erste ist die Bass-Lobes-Arie „Heiligste Dreieinigkeit“ mit singend-springender Fanfare von Blechbläsern und Schlagwerk. Geht diese schon auf den Einzug in einen selbst ein, reflektiert beziehungsweise untermauert diesen theologisch-sentimental die Geist-fokussierte Tenorarie „O Seelenparadies“ mit dichtem Streicherunisono zum Walking Bass des Cellos. Danach treten mit dem Duett „Komm, lass mich nicht länger warten“ Sopran (als Seele) und Alt (in der Stimmlage denn eher unerwartet als Verkörperung Jesu, doch hier höher gelegt als nunmal Heiliger Geist) zusammen mit dem Cello und/oder der Orgel (sicher Weimar) in einen bekannten Dialog der hoheliedlichen Vereinigung.
Abhängig von der gewählten Fassung endet die Kantate mit dem klassisch heraushörbaren Nicolai-Choral „Von Gott kömmt mir ein Freudenschein“, der die Wandlung für den Menschen zusammenfasst. Möge dieses Stück Ihnen Freudenschein und Hoffnung schenken!