Wenn von einem überaus symbolträchtigen Lutherchoral die Rede ist, dann zweifellos bei dem Lied Ein feste Burg ist unser Gott. Der Vers rankt in seinen güldenen Lettern noch wunderbar sichtbar um den Turm der Schlosskirche zu Wittenberg, der ihrerseits bedeutsamen Wiege der Reformation, von wo aus nicht nur der Spruch seinen Weg an mehrere Kirchenportale in ganz Deutschland fand, sondern sich über die Jahre zur der Hymne des Protestantismus und weit mehr entwickelte. Zahlreiche Komponisten, bis in annähernd heutige Zeiten, verwendeten die Melodie, die Johann Sebastian Bach in seine Kantate BWV80 hat einfließen lassen. Und dies wohl bereits zu Weimarer Zeiten 1715 oder 1716, dann spätestens ab 1728 in Leipzig in weiteren Fassungen auf den heute bekannten Text.
Selbst habe ich einst die Kantate in dieser späteren Form beim Bachfest Leipzig (dort sogar noch in der von Sohn Wilhelm Friedemann eingerichteten Variante mit Trompeten und Pauken) wahrgenommen, die nochmals jenen innewohnenden Aspekt der Showqualität, Festlichkeit, Aufgeladenheit und Zugkraft der Vertonung veranschaulicht. Nämlich im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Zug eines Bass-Sackbuts, geboren aus der aufführungspraktischen Not – oder einfach vielfachen Realität – bei einem Orgelpositiv kein 16-Fuß-tiefes Posaunen-Register bespielbar zu haben, um die Teilung des Continuos zwischen Chorbegleitung und kontrapunktischem Instrumental-Cantus Firmus sowie den Kontrast zu den hohen und mittleren Stimmen von Streichern und originären Oboen im Eingangschor wirkmächtig auszugleichen. Wahlweise bedient man sich dabei auch eines Kontrafagotts, das einen ähnlich röhrenden Eindruck macht.
Der Sog trotziger wie trutziger Siegesstimmen über den „alten bösen Feind“ in der kämpferischen Phalanx gläubiger (evangelischer) Christen beginnt jedenfalls in jenem Eingangs-, ja Einfallschor unmittelbar, fast überrumpelnd, da – wie beim September-Beispiel BWV19 sehr ungewöhnlich – kein instrumentales Ritornell vorgesehen ist. Entkommen kann man diesem lutherischen Schlachtengeheul an Gottesfürchtigkeit zudem nicht, wenn der Sopran den Choral mit colla parte-Oboe einfach weiter jubiliert, während der Bass in seiner Arie „Alles, was von Gott geboren“ Moral und Vertrauen der Anhänger im Glaubensbekenntnis beschwört. Zwangsläufig auf die ruhigere Tour, dennoch nicht minder wortmartialisch, probiert er es anschließend im Rezitativ „Erwäge doch“, woran der Sopran in seiner lieblich-lockenden wie unmissverständlich rigorosen Entsprechung mit der Arie „Komm in mein Herzenshaus“ anknüpft.
Das Fruchten der Ansprache wird mit dem ebenfalls wieder unvergleichlich mitreißenden Choral „Und wenn die Welt voll Teufel wär“ quittiert, standhaft eingebettet in ein weltlich-sündhaftes Furioso von Streichern, Continuo und dem Trio der Oboi d'amore und Taille (Oboe da caccia). Die sich auszahlende Verlässlichkeit auf Gott bekräftigt ein weiteres Mal der Tenor im Rezitativ „So stehe dann“, ehe er im Duett mit dem Alt, begleitet vom Teil-Continuo, der warmen Solo-Violine und der Tenoroboe, in „Wie selig sind doch die, die Gott im Munde tragen“ zu ausgeschmückt, sinnlich und differenzierter Überzeugungskunst ansetzt. Der Choral „Das Wort sie sollen lassen stahn“ beschließt in herkömmlichem Einschluss der Gemeinde die Kantate. Gemäß der Worte lasse ich meiner hier jetzt genug stehen, um Bachs Werk preisend vorzustellen und Ihnen die wehrhafte Musik zum Hörgenuss zu überlassen, ganz gleich welchen oder ob eines Glaubens.