Habe ich Ihnen bereits Kantaten vorgestellt, die Johann Sebastian Bach in Weimar komponierte und in Leipzig umarbeitete beziehungsweise wiederverwertete und ergänzte, stelle ich Ihnen mit Alles nur nach Gottes Willen, BWV72, ein Stück vor, das in dieser Beziehung einen anderen Verlauf nahm. Die für den dritten Sonntag nach Dreikönig geschriebene und im Jahre 1726 am 27. Januar uraufgeführte Kantate verfasste Bach tatsächlich erst komplett neu an seiner Wirkungsstätte im Thomaskantorat, griff aber textlich auf seine Vorzeiten in Weimar zurück, indem er den 1715 veröffentlichten Inhalt des dortigen Hofdichters und arbeitskollegialen Partner in Crime Salomon Franck letztmalig zur Grundlage seines Schaffens machte. Und zwar solchen auf die sonntägliche Evangelienlesung, sich in seinem Tun und Glauben dem Willen Gottes zu ergeben und mithin der Losung mit Jesu Wirken und Schicksal für alles Seelenheil zu folgen.
Danach strebt der Chor fühlbar zum Eingang der von energischen oder tänzerisch vertrauensvoll-liedhaften Concerto-Ritornelli geprägten Kantate, den Franck noch als Arie vorgesehen hatte, Bach allerdings so gut als Chorsatz gefiel, dass er ihn später nochmals für das „Gloria“ seiner Kurzmesse in g-Moll parodierte. In ihm steckt schließlich mit den Staccati der Oboen und des aufsteigenden Vokalen sowie dem überzeugten und nachdrücklichen Umhergeflitze der Violinen eine Kompromisslosigkeit, diejenige, sich in allem und jederzeit Gott zu unterwerfen, und die somit in ihrem „Alles“ wie gemacht ist für die Stimmen von Allgemeinheit und Gemeinde. Wie üblich wird dies durch die Solisten einzeln etwas genauer ausgeführt, zunächst im Rezitativ mit mittigem Arioso in Form der Litanei durch den Alt, der an neun „Herr, so du willt“-Beispielen das Bittgebet spricht. Und persönlich von diesem als Versprechen vorlebend bekräftigt wird durch die attacca erstehende Arie „Mit allem, was ich hab und bin“, in der die Triosonate mit zwei Violinen und Continuo die kreisenden Weltgedanken und Unwägbarkeiten genauso darstellt wie der beschwingte Rhythmus das unausweichlich beglückende Einlassen auf diesen einzigen Weg von Jesu Wort und Tat zum Bestehen, Belohnt-Werden und Getröstet-Sein.
Der Bass gibt mit seiner Qualität der beruhigenden Weisheit und Autorität im Rezitativ „So glaube nun!“ ein weiteres Siegel auf Umsetzung und erhofften Zuspruch in jeder Lebenslage. Besonders natürlich in der schweren und leidenden Situation, der sich anschließend nur der Sopran stellen kann, um jene Herausforderung im Alltag und Glauben „versüßt“ zu sehen durch Christus. „Mein Jesus will es tun“ an Anfang und Ende symbolisiert die „Arme“ des Geborgenseins im festen Gedenken an die Verheißung, eben zu aller Zeit des Hier und dann ewigen Dort. Bach fiel dazu in seiner Genialität wieder eine so herrliche Melodie im Dreiertakt für die volle Besetzung mit warmer Oboe ein, dass sich Text und Ton zum direkten Herzensgang mit tränenrührigem Affekt und Effekt des Verstandenwissens und Beistands sowie des endlosen Wiederholenwollens verschmelzen.
Die Kantate beschließt ein für die Reformation und die Lutheraner berüchtigter Choral Albrechts von Brandenburg-Ansbach, später Herzog von Preußen, nämlich der bestimmte wie kämpferisch-beseelte „Was mein Gott will, das g'scheh allzeit“ mit seinem ebenso herzergreifenden Finalvers „Wer Gott vertraut, fest auf ihn baut, den will er nicht verlassen“. Gleich welchen oder ob eines Glaubens, bauen Sie jedenfalls auf Bach und seine allzeit wunderbaren wie helfenden Kantaten!