Der Triumph des Bournemouth Symphony Orchestra in unserer Wahl zum Beliebtesten Orchester der Welt mag – zunächst – den ein oder anderen skeptischen Blick zur Folge gehabt haben. Was macht eine verschlafene Küstenstadt wie Bournemouth (ich wurde dort geboren und darf das sagen!) hier und schnappt den führenden Mitstreitern aus Cleveland, einem ganz anderen Kaliber, den Titel weg? Und wo, höre ich Sie rufen, waren die Berliner und Wiener Philharmoniker oder das London Symphony Orchestra? Die können sich doch bestimmt viel eher damit rühmen, zu den besten Orchestern der Welt zu gehören, warum also sind die nicht ganz oben?
Die Antwort steckt schon im Titel. Beliebtestes Orchester der Welt. Beliebtestes. Nicht bestes. Sogar die größten Fans des Orchesters würden nicht behaupten, dass seine Musiker es – Tag ein, Tag aus – mit den großen Bestien des Orchester-Dschungels aufnehmen können. Es ist ein äußerst gutes Orchester, geleitet von einem dynamischen, jungen ukrainischen Dirigenten, Kirill Karabits, und es kann grandiose Auftritte hinlegen. In den letzten Spielzeiten lag Karabits Schwerpunkt auf russischen Komponisten, besonders Prokofjew, und die Konzerte und Aufnahmen wurden weithin gelobt. Auch ehemalige Chefdirigenten haben ihr Spezialgebiet zum Tragen gebracht, von Marin Alsops Fokus auf amerikanischer Musik zu Paavo Berglund, mit dem es in puncto Sibelius niemand aufnehmen konnte. Die BSO-Aufnahme von Elgars In the South mit dem rumänischen Dirigenten Constantin Silvestri gehört wohl noch immer zu den besten auf der Liste.
Wie also hat Bournemouth diesen Coup geschafft? Ich würde sagen, dass das Orchester eine starke Fangemeinde hat, die es treu unterstützt – wie sie viele Orchester haben –, aber dass es auch einen großen Bereich des Landes bespielt, in dem es oft das einzige professionelle Orchester zu Gast ist. Trotz des Namens hatte das Orchester seine Basis schon seit Jahrzehnten nicht mehr In Bournemouth, denn es ist nach Poole übergesiedelt, lange bevor ihre alten Winter Gardens 2006 dem Erdboden gleich gemacht wurden. Im Laufe einer typischen Spielzeit allerdings bereist das Orchester mit seinen Programmen das Land von Basingstoke und Portsmouth bis ganz in den Südwesten, nach Bristol, Torquay und Exeter. In den vergangenen Jahren war das BSO auch als Graben bei einigen Grange Park Produktionen zu hören. Es handelt sich hier also nicht nur um eine loyale Fangemeinde, sondern um eine große loyale Fangemeinde, die sich sehr bemüht, ihr Orchester zu unterstützen.
Das Orchester verdient auch Lob dafür, die Kampagne in den Sozialen Medien bekannt zu machen. Twitter und Facebook-Seiten haben geschäftig alle Anhänger dazu aufgefordert, auf der Seite vorbeizuschauen und ihre Stimme abzugeben, und ich weiß, dass Konzertsubskribenten vor zwei Wochen per Email zur Wahl gebeten wurden. Sogar heute noch hat Kirill Karabits selbst eine kurze Ansprache an die BSO-Fans gefilmt, um auch kurz vor Schluss noch ein paar Wähler zu animieren! Ein wohlverdienter Sieg für Bournemouth und sein Team.
Alex Segrave, Ansprechpartner für Digitales beim BSO, sagte: „Das Bournemouth Symphony Orchestra ist hocherfreut, zum Beliebtesten Orchester der Welt 2014 gewählt worden zu sein. Unser Dank gilt allen, die im letzten Monat für uns abgestimmt haben – das ist ein wahres Zeichen der Loyalität unserer Fans aus den 10.000 Quadratmeilen im Süden und Südwesten Englands, die wir regelmäßig besuchen.
Von den kleinsten bis zu den größten Veranstaltungen, vom Versuch, neue Menschen zum Musizieren zu animieren, bis zu denen, für die Musik schon immer ein Teil ihres Lebens war – unser Orchester besitzt die Leidenschaft und die Flexibilität, Zuhörer in einer besonderen Art und Weise zu inspirieren. Sie feiert die Rolle, die die Kultur, und in unserem Falle die Musik, innehat und immer innehaben muss darin, ein Leben zu verbessern und zu verändern.“
Unter den Orchestern, die unter den besten gelandet sind, hat viel Aktivität in den Sozialen Medien bei Cleveland, Pittsburgh und Cincinnati für ein gutes Ergebnis gesorgt, während die Unterstützung für Atlanta zweifelsohne mit dessen gegenwärtiger finanzieller Situation zusammenhängt, in der im Moment schwierige Gehaltsdiskussionen stattfinden. Die hohe Stimmzahl für das Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra spiegelt wahrscheinlich den Eindruck wieder, den es in diesem Sommer auf das Publikum der BBC Proms gemacht hat.
Orchester, die sich einen Ort teilen, leiden unvermeidlich unter den geteilten Stimmen. Konzertbesucher in London beispielsweise haben so viele „Heimspieler“ zur Auswahl, dass es manches mal etwas ganz Besonderem bedarf, um überhaupt unter die besten 20 zu kommen – was das London Symphony Orchestra in der Tat geschafft hat.
Aus dem Englischen übertragen von Hedy Mühleck